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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Maass, Ernst: Inschriften und Bilder des Mantels Kaiser Heinrichs II., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0233

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363

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

364

Dennoch verbietet diese Auffassung sich
durch ein bestimmtes Zeugnifs, welches ich
um so lieber hersetze, als ich es hoffe emen-
diren und dadurch erst benutzbar machen zu
können. Ampelius schreibt in seinem Merk-
büchlein (nLiber memorialis« II p. 2 ed.
Wölfflin):

Libra, quam Graeci Zvyöv appellant, vitile
7iomen est adepius.3) Qui omni dementia et
iustitia Mochos est dictiis. Qui primus dicitur
librae pondus hominibus invenisse, qtiae uti-
lissima mortalibus existimantur, ideoque in nu-
merum stellarum teceptus est et Libra est
dictus.
An der evident corrupten Stelle hat sich
der Scharfsinn O. Jahns Büchelers und Wölff-
lins vergeblich abgemüht (vgl. »Rhein. Mus.«
XIII, S. 182 ff.); Swoboda vermuthet in seiner
Ausgabe der Nigidiusfragmente, unter welche
er wie das ganze Ampeliuskapitel so die Be-
merkung über die Libra gestellt, adeptusque
[qui] (p. 118). Ich verstehe dies so wenig,
wie den überlieferten Text. Der Sinn kann nur
sein „den Griechen war die Waage sächlichen
Geschlechts (Zvyöv), den Römern weiblich
(Libra), „virile nomen," ein männliches Wesen
also, wem ? Einem Volke, das nicht Römer und
nicht Griechen waren. Also den „Aegyptern",
wie ich auf Grund der bisherigen Untersuchung
meine behaupten zu müssen. Zu schreiben ist
demnach statt adeptus doch wohl Aegypiiis.
Das wird durch den folgenden Satz des Am-
pelius sofort bestätigt. „Mochos" soll der Er-
finder der Waage geheifsen haben! Macha
heifst auf ägyptisch, wie versichert wird, die
Waage; Puchsteins 2XHp6/uayvog der Silphion
abwägende König auf der Kyrenäischen Vase,
ist in Erinnerung (vgl. Studniczka »Kyrene«,
S. 12). Also ist für mochos nicht üia^fioZya

Cancrum, tertiam esse inier Aquarium et Pisces.
Probus fügt hinzu: Argute itaque eam viam et sedem
tribuit (nämlich Vergil an der angeführten Stelle)
Augusto, forti imperatori, quam habuit deus fortis.
Man sieht, wie wenig Verständniis der Erklärer für
die Genesis der vergilischen Vorstellung mitbrachte.
Ovid hat auch iMetam.'W 82 f. die langgestreckten
Skorpionscheeren, also die rein griechische Auffas-
sung, in seiner mit Unrecht im Zusammenhang be-
anstandeten Thierkreisschilderung; im Märchen kann
sogar Helios durch diese Thierkreiszeichen in einem
Tage hindurchkommen.

3) Manilius I 362 Hcniochus studio mundumque tt
nomen adeptus. — Die Parallele in Hygins Fabeln
(Dositheus) ist stark gekürzt.

mit O. Jahn sondern einfach Machos zu schreiben
(wenn überhaupt zu ändern ist). Sodann haben
sich O. Jahn Bücheier u. a.. an den Worten des
Ampelius „Machos habe librae pondus er-
funden" gestofsen. Librae pondus ist das
gewogene Pfund und speziell technischer
Ausdruck, der hier nicht zutrifft, da es sich
ersichtlich um das Waagegestell handelt, nur
um dies. Damit ist zugleich die Konjektur
Libram et pondus, jetzt auch von Swoboda auf-
genommen, bündig widerlegt. Ganz sicher ist
Librae pondus vom Gestell der Waage richtig
gesagt: Manilius hat den Ausdruck, auch er
vom Sternbild der Waage, IV 545 genitus sub
pondere Librae. Also schon lange vor Am-
pelius, schon vor Manilius (welcher der Zeit
des Augustus angehört), ist Librae pondus von
der himmlischen Waage gesagt worden, ich
denke in genauer Rückübersetzung der gut-
griechischen Bezeichnung ZvyöaTadftog. Leicht
konnte, weil <na&(j.eg auch Gewicht (pondus)
bedeutet, jene strenggenommen nicht korrekte
Uebersetzung herauskommen. Dergleichen Män-
gel sind in der technischen Uebersetzer-Ter-
minologie der Römer oft genug vorgekommen.
Ist diese Auffassung richtig, dann besäfsen wir
ein indirekt erschlossenes neues, wenn auch
nicht das älteste, Zeugnifs für den griechischen
Namen der Waage am Himmel, die, wie es
scheint, schon bei Posidonius vorkommt. Cäsar
hatte die Waage in seinem Kalender, und der
Grieche Sosigenes war sein Berather, der zu-
dem Cäsars Kalenderreform vom Jahre 4G
v. Chr. in drei Einzelschriften behandelte. An
diese Reform und ihre litterarische Begründung
durch einen griechisch schreibenden Fachmann
wird sich schnell auch eine lateinische Fach-
litteratur irgend welcher Art angeschlossen
haben. Damals wurde, sicher vor Manilius,
auch Librae pondus als technisches Aequivalent
für Zvyä<Tia&/uo<; gefunden.

4. Die beiden Auffassungen jenes zwölften
Thierkreisbildes, die Skorpionscheeren und die
Waage (beziehungsweise Waagehalter), gehen
mehrfach in der römischen Litteratur und
Illustrationskunst durcheinander. Manilius hat
sie beide (auch den Waagehalter) ganz nach Be-
lieben vertauscht. Germanicus kennt die Libra
im Eingang der Phänomena, dem Gedicht an
Augustus, und Fr. III und IV, die Scheeren im
Haupttheil seines Werkes, sie hier allein. Hand-
schriftlich und auf Denkmälern der Kleinkunst


 
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