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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Prill, Joseph: In welchem Stile sollen wir unsere Kirchen bauen, [4]
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0165

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255

.1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

256

Bogen verlangen sie über sich. Für die grofsen
Höhen unserer spätromanischen und gothischen
Dome ist der Halbkreisbogen im Gewölbe zu
niedrig. Denn -im Gewölbe mufs die auf-
steigende Linie allmählich ihre Bewegung ver-
langsamen und im Schlufs des Gewölbes mufs
sie ihren End- und Ruhepünkt finden. Der
Halbkreis aber schwingt die senkrecht auf-
strebende Bewegung zu plötzlich herum und
läfst sie über den Höhepunkt hinaus, in dem
sie zur Ruhe kommen müfste, wieder nach
unten zurückkehren. Bei geringen Höhen der
Arkaden ist ein solcher Widerspruch nicht vor-
handen oder wird nicht gefühlt, um so mehr,
als auf dem Bogen noch eine sichtbare Last
ruht, und auch bei den Fensteröffnungen, welche
noch neben und über sich Mauerstücke haben,
also aus der Wand herausgeschnitten sind,
wird es nicht so sehr fühlbar. Es ist darum
gewifs aus einem richtigen ästhetischen Em-
pfinden heraus geschehen, dafs dieMeisterunseres
sog. Uebergangsstils die Gurten des Mittel-
schiffgewölbes stets nach dem Spitzbogen ge-
bildet haben, auch wenn sie in den übrigen
Bautheilen die romanischen Formen, soviel sie
konnten, festhielten. Sie konnten eben — auch
abgesehen von den Forderungen der Konstruk-
tion — der steileren Bogenform, die ihnen aus
gothischen Werken schon bekannt war, gar nicht

mehr entrathen, da sie der aufstrebenden Tendenz
der abendländlichen Gewölbebauten vollkom-
mener als der Halbkreisbogen gerecht wurde.
Gerne erkennen wir die majestätische Ruhe
der romanischen Bauten an, möchten aber hier
nur die kurze Bemerkung hinzufügen, dafs wir
als den Gegensatz dieser Ruhe nicht die Unruhe,
sondern die Bewegung betrachten. Die gothischen
Bauten, in denen die Struktur mehr an's Licht
tritt, sind bewegter, aber darum nicht unruhig.
Wo die gofhische Struktur zu reicherer Aus-
gestaltung kommt, wo der Organismus sich
mannigfaltiger verästelt, da treten auch dem
Auge mehr Einzelheiten entgegen als der roma-
nische Stil sie bieten kann, und beides zu-
sammengenommen, das Durchscheinen der
Struktur und die weitere Durchbildung der
Einzeltheile stellt gröfsere Anforderungen an
die künstlerische Auffassung. Es kann das
Werk nicht in einem Blick erfafst werden, es
mufs erst in seinen Einzeltheilen und dann in
der einheitlichen Zusammenfassung derselben
verstanden werden, ehe sich in der Seele des
Beschauers jene Empfindung ruhiger Befriedi-
gung, welche das volle Erfassen bringt, ein-
stellen kann. Dafür ist dann aber auch der
ästhetische Genufs um so viel gröfser und
inhaltvoller. (Forts, folgt.)

Essen. Joseph Prill.

Bücherschau.

Die katholische Kirche in Deutschland,
O esterreich-Ungarn, Luxemburg und inder
Schweiz, das bei der Allg. Verlagsgesellschaft in
Berlin erscheinende Prachtwerk der Le O.Gesell-
schaft, dessen Programm und Erstlingsheft hier
(Bd. XI, Sp. 347/348) eingehend besprochen wurde,
ist in schnellem Fortschritt bereits bis zum XIV. Heft
gediehen. Die ersten 10 Hefte beschäftigen sich mit
den deutschen Diözesen, als deren letzte Strafs-
burg erscheint, und im Anschlufs daran werden die
übrigen deutschen Jurisdiktionsgebiete, also die aposto.
lischen Vikariate und Präfekturen behandelt, ein-
schliefslich der militärischen und der Missionen in den
deutschen Schutzgebieten. Sodann beginnt im XI. Heft
die Schweiz, zunächst, nach einem allgemeinen Ueber-
blick die Diözese Basel-Lugano, der im XII. Heft
Chur, St. Gallen, Lausanne-Genf, im XIII. Heft Sitten
und die Abteien Einsiedeln und St. Moritz folgen.
Die.Diözese Luxemburg schliefst hier an, und im
XIV. Heft wird die lange Reihe der österreichisch-
ungarischen Bisthümer u. s. w., die 15 Hefte
umfassen soll, durch einen orientirenden Exkurs über

die kirchlichen Verhältnisse und deren geschichtliche
Entwicklung eingeleitet. — Das grofs angelegte Werk
hat die Aufgabe, die es sich gestellt hat, bis jetzt
gut gelöst, sowohl in dem referirenden und be-
schreibenden Text wie in seinen zahlreichen, durch-
weg sauber ausgeführten Illustrationen, die in den
Porträts der Bischöfe und sonstiger kirchlichen Wür-
denträger, in Städtebildern, Abbildungen von alten
kirchlichen Baudenkmälern, Figuren, Gemälden, Klein-
kunstgegenständen aller Art bestehen. Neue kirchliche
Kunstdenkmäler werden nur ganz ausnahmsweise be-
rücksichtigt, obgleich sonst die modernsten Dekorations-
mittel nicht verschmäht werden. Da jede Diözese ihren
eigenen Bearbeiter hat, so waltet natürlich in dem
musivisch zusammengesetzten Buch eine grofse Mannig-
faltigkeit in Betreff der Accente, aber diese gereicht
ihm nicht zum Nachtheil. Das aktuelle Bild, welches
hier durch berufene Referenten von den Verhältnissen
in einem so hervorragenden Theil der katholischen
Kirche geboten wird, gewinnt durch die Verschmelzung
des Alten und Neuen und Allerneuesten einen ganz
besonderen Werth und Reiz. K.
 
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