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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Bertram, Adolf: Zur Kritik der ältesten Nachrichten über den Dombau zu Hildesheim, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0139

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211

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

212

ist durchweg der gewiegte Diplomat, der schlaue
Unterhändler und geschickte Arbeiter, der stets
mit den gegebenen Verhältnissen sich praktisch
abzufinden sucht und keineswegs sein Wirken
in den Dienst eines idealen ascetischen Princips
stellt.

Fehlsam ist auch die Annahme, bei der Ver-
kleinerung des Chores sei nur die „Bequem-
lichkeit" im
„Gestühl"„ent-
arteter Dom-
herren" etwas
beschränkt. —
Beim Neubau
einer Kathe-
drale im XI.
Jahrh. war es
eine der alier-
wichtigsten
Aufgaben, aus-
reichenden und

würdigen
Raum für den
Gottesdienst
im Chore zu
schaffen. Der
Hildesheimer
Domchor hat
nun, selbst mit
Einschlufs sei-
ner Apsis, sehr
bescheidene
Verhältnisse.
Eingeengt war
dieser Raum
noch durch das
(jetzt über-
deckte) Loch,
welches das
mittlere Ge -
wölbequadrat des westlichen Kryptaraumes er-
setzte und dem finsteren Westtheile der Gruft
Oberlicht zuführte, im Chore aber diesen
Raum jeder Benutzung entzog. In dem so
beschränkten Chore rnufsten — da eine Unter-
bringung des Klerus in Schiff und Quer-
armen schon durch den Unterschied der
Höhenlage ausgeschlossen war — 50 Kanoniker
mit ihren Prälaten, der geräumige Hochaltar
mit seinen Stufen und seiner Umgebung, der
bischöfliche Sitz, zweifellos auch ein Theil
der Scholaren unter der Leitung des Kantor

Abb. 4. Hezilo's Domthurm in Hildesheim.

oder dessen Gehülfen Platz finden. War dieses
zahlreiche geistliche Personal würdig und in
der ihrer Rangordnung entsprechenden Distanz
untergebracht, so war noch — und das ist eine
noch wichtigere Aufgabe beim Dombau —
Raum nöthig für die freie und würdige Ent-
faltung des täglichen Chorgottesdienstes (feier-
lichen Hochamtes und Stundengebets) und der

bischöflichen
Funktionen,
deren Glanz
auch hinsicht-
lich des litur-
gischen Appa-
rates und der
Assistenz seit
Altfrid's Tagen
bis 1056 eine
namhafte Er-
höhung erfah-
ren hatte. Ge-
rade die wich-
tigste Aufgabe
des Domes litt

empfindlich,
wenn der Al-
tar mit seiner
Umgebung,
alle Liturgen
und das Kapitel
auf einen win-
zigen Raum
beschränkt
wurden. Der
Chor war also
derjenige Bau-
theil, in wel-
chem das
Raumbedürf-
nifs sich ge-
bieterisch geltend machte. Nachdem nun
Azelin durch das Bedürfnifs nach einer aedi-
ficatio longe capacior sich genöthigt gesehen,
unter den höchsten Opfern einen viel ge-
räumigeren neuen Chorbau zu unternehmen
ist es kaum denkbar, dafs Hezilo, auf Alt-
frid's kleinen Chor zurückkehrend, diesen
noch mehr verkleinert habe. Nichts wäre
damit erreicht worden als eine rücksichts-
lose Zusammenpferchung des inzwischen
stark vermehrten Klerus und ein noch em-
pfindlicheres Beengen der Funktionäre in
 
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