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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Beissel, Stephan: Rosenkranzbilder aus der Zeit um 1500
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0038
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89

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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zwischen der Gottesmutter und dem Erzengel
Michael.4) Unter den sechs Gruppen der um
das Kreuz gesammelten Heiligen stehen in
Schwabach die Inschriften: „Alle(n) heiligen Pa-
triarchen zwölf Vater Unser". ,,Allen heiligen
zwölf Boten und Aposteln." „Allen heiligen
Maertem zwölf Vater unser." „Alleti heiligen
peichtigern ain Vater unser." „Alle Jung-
frauen " „Alle Witlwen". Warum diese 25 Vater
unser hier empfohlen werden, entzieht sich
meiner Kenntnifs. Beachtenswerth ist, dafs das
unbekleidete Kind, welches in Witting unten
am Kreuze kniet, in Schwabach die erklärende
Unterschrift hat: „Die Menschwerdung", und
dafs sein Schriftband sich um den Kreuzes-
stamm schlängelt. Es gehört also nicht zu den
Märtyrern, sondern erinnert an die menschliche
Natur des Gekreuzigten. Vielleicht liefert nun
die Analogie mit dem Schwabacher Tafelge-
mälde auch den Schlüssel zum Verständnifs des
merkwürdigen Kindes, das in dem bei Münzen-
berger I Tafel 30 abgebildeten Schrein aus
Lübeck unter der Mondsichel liegt, auf der die
Gottesmutter steht. Zwei Kinder (Engel?) halten
die Zipfel des Tuches, auf dem dies Kind un-
bekleidet ruht, zwei andere schauen voll Neu-
gierde und Verwunderung zu; an der andern
Seite aber ruht ein Ochs, das Zeichen des
Evangelisten, dessen Buch mit dem Berichte
über die menschliche Abstammung Christi be-
ginnt. Ich kann mich für eine bestimmte
Deutung nicht entscheiden. Eventuell könnte
ja die Tafel eine Erinnerung daran sein, dafs
Maria ein Kind rettete, welches von einem
Thiere gestofsen wurde. Unsere Kenntnifs der
Ikonographie des Mittelalters ist eben viel
lückenhafter, als viele Leute meinen.

Verwandt ist den Rosenkranzbildern zu
Witting und Schwabach ein Gemälde des Ger-
manischen Museums n. 204, auf dem ebenfalls
Heilige die heiligste Dreifaltigkeit umgeben,

*) Der Altar von Witting war der Königin des
Rosenkranzes und dem Erzengel Michael gewidmet.
Darum sind in den Flügeln nach Jakob de Voragine,
Legenda aurea n. 140 vier Ereignisse aus dessen
Legende geschildert: 1. Er besiegt im Anfange Lucifer
und dessen Anhang. 2. Er erscheint in einer Höhle
des Berges Garganus und befiehlt, sie zur Kirche zu
weihen. 8. In einem Kampfe zwischen den Neapoli-
tanern und Siponlinern hilft er letztern vom Berge
Garganus aus zum Siege. 4. Er tödtet den Antichrist,
welcher sich auf den Oelberg stellen wird, um von
dort aus in den Himmel aufzufahren.

oben zwei Engel die Ecken füllen, unten Kaiser
und Papst mit den Vertretern der Christenheit
beten, tiefer aber das jüngste Gericht dar-
gestellt ist.

Wie in Witting auf den Flügeln nach Jakob
de Voragine drei „Siege" des Erzengels Michael
geschildert sind, so finden wir auf andern
Rosenkranzbildern die Erinnerung an andere
Wohlthaten Gottes und seiner Heiligen, zuerst
daran, dafs er durch Christi Wunden und durch
Maria bewogen wird, die Pest aufhören zu
machen. Mit Beziehung auf Ps. 7, 13 f. „Seinen
Bogen hat er gespannt und ihn zugerichtet;
er hat tödtliche Geschosse darauf gelegt, seine
Pfeile brennend gemacht", stellte man Gott
den Vater so dar, dafs er mittelst eines Bogens
drei Pfeile mit den Aufschriften „Pest, Hunger,
Krieg" gegen die Menschen abschiefst. Sein
Bild ward oberhalb des Rosenkranzes hinge-
zeichnet, so dafs der Idee nach die Heiligen
und die Vertreter der Christenheit, welche den
Rosenkranz beten, um Abwendung solcher
Strafen bitten. Dies ist schon auf dem bei Gold-
schmidt Tafel 22 abgebildeten Rosenkranzbilde
zu Lübeck der Fall. Andere Beispiele sind ver-
zeichnet bei Schreiber a. a. O. n. 1012 b und c,
sowie bei Rosenthal »Incunabula xylographica«,
Katalog 90 n. 4 Skizzenbuch des XV. Jahrh.5)
und n. 96. In der Schwabacher Tafel finden
wir über dem Rosenkranz die Erinnerung an
drei damals beliebte Darstellungen: die Messe
des hl. Gregorius (die in engster Beziehung
steht zum Fegfeuer), das unten zu sehen ist,
das Veronikatuch mit Christi Antlitz und die
Erscheinung des Gekreuzigten vor dem hl. Fran-
ziskus v. A., der die Wundmale empfängt. Einen
Holzschnitt, der dieser Schwabacher Tafel in
allem, auch in Darbietung dieser drei Dar-
stellungen gleicht, bot Rosenthal in seinem
Katalog 90 unter n. 97 an.

Auch im Rosenkranzaltar der Rochuska-
pelle zu Nürnberg aus der Zeit um 1520 (Mün-

5) Im Bilde dieses Skizzenbuches ist Maria von
drei Rosenkränzen umgeben, in den Medaillons des
ersten sind dargestellt die Opferung Marias durch
Joachim und Anna (vgl. die Nürnberger Tafel), die
Verkündigung, Heimsuchung, Geburt Christi und An-
betung der Könige, in denen des zweiten Jesu Be-
schneidung, er verläfst Maria im Tempel, trägt sein
Kreuz, wird gekreuzigt und seine Leiche liegt in
Maria Schoofs, in denen des dritten die Erschei-
nung des Erstandenen vor Maria und vor Thomas,
die Himmelfahrt, die Sendung des Heiligen Geistes und
Marias Tod.
 
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