Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [6]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0174
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
271

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

Unter dem Bogen steht in jedem Monate
eine Scheibe mit 24 Strahlen, welche theils
hell sind, um die Stunden des Tages zu be-
zeichnen, theils dunkel, um die Stunden der
Nacht anzuzeigen. So sieht man im Januar in
jener Scheibe 8 hellblaue und 16 graue Strahlen,
im Februar 10 blaue und 14 dunklere u. s. w.

Neben der Stundenscheibe malte der Künstler
für den Januar das Brustbild des Janus, für
den Februar dasjenige eines Greises (Numa).
Im März finden wir den jungen mit einer
Chlamys bekleideten Mars, im April einen
jungen Menschen mit einer phrygischen Mütze.
Im Mai hält ein Jüngling eine Blume. Im
Juli und August erscheint ein König mit Krone
und Reichsapfel (Julius Caesar und Augustus), im
September ein Soldat u. s. w. Oben sind neben
den Anfängen des Rundbogens Blätter oder
Häuser, Befestigungen oder Kirchen dargestellt.

Die im Kalender genannten Feste machen
es zweifellos dafs dies Missale für die Abtei-
kirche des hl. Michael zu Hildesheim geschrieben
wurde. Am 15. Januar ist die Bischofsweihe
(Ordinatio) des hl. Bernward, am 20. November
sein Todestag mit grofsen goldenen Lettern
bezeichnet. Da im Jahre 1150 ein Provinzial-
konzil zu Erfurt erlaubte, Bernward in St.
Michael als Heiligen zu verehren, ist die Hand-
schrift jedenfalls nach diesem Jahre geschrieben
worden. Besonders hervorgehoben sind dann
im Kalender das Fest des hl. Michael, zwei
Feste des hl. Benedikt (21. Mäiz und 15. Juli),
ein Fest des hl. Gallus, des hl. Lambert
(17. September), dem die Pfarrkirche bei St.
Michael gewidmet war, des hl. Godehard (4. Mai),
des Nachfolgers des hl. Bernward u. s. w.

Die Zugehörigkeit des Missale zu St. Michael
wird bestätigt durch zwei grofse Miniaturen zu
den Festen dieses Erzengels und des hl. Bern-
ward. In ersterer (Abb, 4) besiegt der hl.
Michael den Drachen, während fünf Engel
in lebhaftem Kampfe ebensoviele Teufel über-
winden. In der andern Miniatur (Abb. 5) er-
hält der hl. Bern ward von einem Engel ein
Kreuz, das er mit der Rechten in Empfang
nimmt. Die Inschrift des über seinen rechten
Arm gelegten Spruchbandes lautet: Hoc contra
Signum nullum stet pcriculum. Der Bischof

Albanipsalter in Hildesheimc, Berlin, Siemens (1895),
S. 146 f. Doch ist dort für den Mai ein Vers aus
den früher genannten hineingestellt. Aehnliche Verse
bei Haseloff »Eine thüringisch-sächsische Maler-
schule«, S. 81.

trägt rothe Schuhe, eine weifse Albe, eine
Dalmatik, eine grüne Kasel mit einem Gabel-
kreuz, ein Humerale, eine Mitra und einen
rothen Nimbus. Seinen linken Fufs um-
klammert ein knieender, tonsurirter Mönch
mit braunem Bart und Haupthaar und mit
grofser Tonsur. Er heifst laut der Inschrift
Heinricus presbyter de Midel . . . (Mitteldorf,
Mittelhof oder Midlum) und fleht: Memor esto
congregationis luae. „Sei eingedenk deiner
Klostergemeinde." Der hl. Bernward antwortet
durch ein zweites Spruchband: Benedic Domine
domum islam.

Ueber dem hl. Bischöfe ist in einem Drei-
eck Gevehardus presbyter et monachus im
Brustbilde dargestellt. Er trägt ein Humerale
sowie eine Kasel und sagt laut der Inschrift:
Dominus vobiscum, ist also beschäftigt, die
hl. Messe zu lesen. In sechs Medaillons des
Rahmens folgen auf Goldgrund die Köpfe
ebensovieler Mönche von St. Michael: oben
zurRechtenWidikindus subdiaconus etmonachus.
Er hat wie Gevehard ein blaues Kleid, die
fünf andern Mönche, welche ohne Beischriften
blieben, tragen braune Gewänder. Zwei dersel-
ben sind Greise mit weifsen Barten, die vier übri-
gen bartlose Männer; alle haben grofse Tonsuren.

Nicht nur eine ähnliche Anordnung, die-
selbe Technik, sondern auch den Namen
Gevehardus finden wir in einem Sakramentar
des Hildesheimer Domes.

Dasselbe ist 350 mm hoch, 243 breit und ent-
hält neben 24 Initialen, die mit Bildern der Hei-
ligen und Szenen aus deren Leben geziert sind,
zwei reich verzierte Blätter mit der Praefation,
ein grofses Bild des Erzengels Michael, ein
Bild des thronenden Weltheilandes und eines,
worin neben dem hl. Michael der hl. Bernward
steht. In letzerem opfert unten Ratmannus
presbyter et monachus dem Erzengel sein Buch.6)
Im Rande sind in sechs Medaillons laut den
Inschriften dargestellt: Bruno episcopus, Beno
episcopus, Franco abbas, Bertholdus abbas,
Vvunimar abbas, Gevehardus, Da Bischof
Bruno 1153—1161 zu Hildesheim regierte, ist

6) Vergl. Bertram «Geschichte des Bisthums
Hildesheim«, Hildesheim, Lax (1899) S. 171. »Kurzer
Führer durch den Hildesheimer Domschatz« Nr. 37
S. 19. Eine Abbildung des 3. Bildes bei Beissel,
»Evangelienbuch des hl. Bernward«, kl. Ausgabe
Tafel III. Vergl. Haseloff »Eine thüringisch-
sächsische Malerschule«, Stralsburg, Heitz (1 97)
S. 33U f. und öfter. Der 1143 verstorbene Abt Kathmar
 
Annotationen