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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Beissel, Stephan: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0175

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273

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

274

ein weiterer Anhaltspunkt zur Datirung des
Buches gegeben. Wichtig ist die Bemerkung im
»Führer durch den Hildesheimer Domschatz«:
,,Auf dem ersten Blatte steht noch ein Doku-
ment des Abtes Franko (f 1167) aus dem
Jahre 1159, welches den Ursprung des Buches
bezeugt." Jedenfalls steht Ratmanns Hand-
schrift der Fürstenbergischen des Heinrich von
Midel ... so nahe, dafs beide fast um die-
selbe Zeit aus der Schreibstube von St. Michael
hervorgegangen sein müssen. Die ehemaligen
Wandmalereien der Vorhalle des Domes zu
Hildesheim sind etwas älter und monumentaler
aufgefafst.7) Die Deckengemälde in St. Michael
zu Hildesheim entstanden etwas später. Verwandt
sind beiden Handschriften ein aus St. Gode-
hard in Hildesheim stammendes Evangelienbuch
im Dome zu Trier Nr. 140 und ein angeblich
aus Paderborn, vielleicht aber aus Hildesheim
nach Trier gelangtes Evangelienbuch Nr. 142.8)

Die Malereien der genannten Bücher sowie
jene der Decke von St. Michael und der Vor-
halle des Domes enthalten aufsergewöhnlich
viele Schriftbänder, in denen Propheten ihre
auf die Hauptszenen bezüglichen Aussprüche
zeigen, sie lieben erklärende Inschriften und
verwenden gerne im Rande Medaillons mit
Köpfen und Brustbildern.

Seine Malereien hat Henrich sowie auch
Ratmann zeichnerisch ausgeführt. Die Haare
ahmte er durch Linien nach, den Mund durch
einen schwarzen Strich, den zwei rothe be-
gleiten. Die Augen sind meist dreieckig ge-
zeichnet, die runde Pupille ist dann vorne hin-
gestellt. Silber ist in den Nimben oft, weniger
häufig in den Kleidern und Ornamenten ver-
wendet. Polirter Goldgrund ist gerne benutzt.
Die meisten Gewänder haben drei Farben, z. B.
Gelb mit Weifs gehöht und mit Braun schattirt,
Grün mit weifsen Lichtern und rothbraunen
oder schwarzen Schatten. Im Blau sind oft
weifse Punkte eingesetzt, und die Schatten
durch helleres und dunkleres Schwarz betont.
Um die äufsere Kontur der Figuren geht eine
feste schwarze Linie.

Zackige Falten, spitz zulaufende Falten und
Gewandzipfel, wie sie z. B. in den von Haseloff

behandelten Miniaturen der »thüringisch-sächsi-
schen Malerschule des XIII. Jahrhunderts«, nach
1200 zu Soest und in der Taufkapelle von
St. Gereon zu Köln herrschen, finden sich in
dem genannten Hildesheimer Werke noch nicht.

(Schluis folgt.)
Stephan Beissel S. J.

von St. Michael darf mit Katmann nicht verwechselt
werden.

') Vergl. diese Zeitschrift III (1890) 307 f.

8) Haseloff a. a. O. 831 und 341. Diese Zeit-
schrift I (1888) 131 f. Vgl. oben Anm. 1.

In der kun st historischen Ausstellung,
welche, allen Übrigen Ausstellungsräumen gleich, am
20. Oktober geschlossen wurde, sind die sofort be-
gonnenen Abrüstungs- und Ausräumungsarbeiten so
emsig betrieben worden, dafs schon bis zum Schlüsse
des Monates die meisten Gegenstände nicht nur ver-
packt, sondern auch zurückgebracht oder zurückgeholl
waren; und acht Tage später waren sämmtliche Leih-
gaben (mit Ausnahme der wenigen, natürlich mit Ge-
nehmigung der Besitzer, für Abbildungszwecke zurück-
gebliebenen) wieder in den Händen derEigenthümer, die
der Schnelligkeit und Korrektheit der Zurückbesorgung
das beste Zeugnifs ausstellten. Kein Unfall irgend-
welcher Art hat während der langen Ausstellungs- und
der kurzen KUcksendungszeil die Freude an der Ver-
anstaltung getrübt, und die von der Arbeil wie Sorge
erschöpften Veranstalter danken der Vorsehung für den
gnädigen f-chutz und Denjenigen, die ihre Kunstschälze
dargeboten haben, für die Theilnahme an dem grofsen
Werke, welches die Anerkennung der ganzen Welt
gefunden hat, nicht nur der wissenschaftlichen Forscher
und der schaffenden Künstler, sondern auch des grofsen
Publikums, dem die kunsthistorische Ausstellung eine
Stätte reicher Belehrung und mächtiger Anregung ge-
wesen ist, eine Gelegenheit zu Einblicken in das künst-
lerische Schaffen längst verflossener Jahrhunderte,
namentlich der Glanzzeit des Mittelalters Zahlreiche
Männer der Wissenschaft des In- und Auslandes haben
das unschätzbare Studienmaterial mit dem gröfsten
Eifer vergleichend geprüft und zahllose hervorragende
Aufsätze haben bereits die Ergebnisse dieser Prüfungen
gebracht als die Vorläufer von in Aussicht genommenen
gröfseren Veröffentlichungen, so dafs jeder grofsmüthige
Leihgeber bereits die Früchte zu scharen beginnt von
dem Segen seiner Bereitwilligkeit. — Mir das bislang
vernachlässigte Gebiet der deutschen, besonders der
rheinischen Skulptur haben sich, dank ihrer glänzenden
Vertretung, neue Gesichtspunkte ergeben, nicht minder
für die Elfenbeinplastik, die ein volles Jahrtausend
künstlerischen Strebens darstellte, und die Königin der
Ausstellung, die mittelalterliche Goldschmiede- und
Emaillirkunst, hat den in sie sich vertiefenden Forschern
reichlich die Mühe gelohnt. — Die meisten der im
öffentlichen, viele der im privaten Besitze befindlichen
Alterthümer sind photographisch abgebildet, bezw. ge-
zeichnet worden, zum Theil auf Bestellung einzelner
Schriftsteller; für diese Aufnahmen ist in dem Archiv
des Provinzialkonservators Professor Dr. Clemen in
Bonn, Poppelsdorfer Allee bG, eine Niederlage einge-
richtet, aus der Abzüge zum Selbstkostenpreis bezogen
werden können, so dafs der Nutzen der Ausstellung
noch nach Jahren deutlich erkennbar sein wird, auch
in dieser Zeitschrift, für die zahlreiche photographische
Aufnahmen gemacht sind. Schnutgen,
 
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