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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Italienische Mitren aus dem Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0016

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1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

Italienische Mitren aus dem Mittelalter.

(Mit 9 Abbildungen.;

talien ist verhältnifsmäfsig sehr arm
an liturgischen Gewändern aus dem
Mittelalter. Paramente aus dem
XVII. und XVIII. Jahrh. sind häufig.
Auf der retrospektiven Ausstellung der christ-
lichen Kunst, die 1898 gelegentlich der grofsen
Ausstellung zu Turin statt hatte, waren sie in
gröfster Zahl und in prächtigen Stücken ver-
treten; es waren natürlich Gewänder ganz im
Geschmack des Barocks. Das XVI. Jahrh. hatte
nur einige wenige Paramente zur Ausstellung
entsandt, noch weniger das Mittelalter, aus
welchem mit Ausnahme von vier Mitren kaum
ein vollständiges Gewand zu sehen war. Was
etwa sonst noch aus demselben vorhanden war,
bestand in etlichen beschnittenen Kasein und
einer Anzahl von Fragmenten, namentlich Stäben
und Stabresten.

Aehnlich verhielt es sich auf den Ausstel-
lungen des eucharistischen Kongresses zu Or-
vielo im Jahre 1896 und zu Venedig im Jahre
1897 und der retrospektiven Ausstellung in
Cremona im Jahre 1899, auf welch' letzterer
sich kaum ein einziges mittelalterliches Para-
ment eingefunden hatte. Freilich geben die
Ausstellungen nicht allerwegen ein treues Bild
des noch vorhandenen Bestandes an mittel-
alterlichen liturgischen Gewändern.

Indessen ist wirklich nur wenig mehr da;
das Wenige aber, was sich erhalten hat, ver-
dankt seine Rettung in beinahe allen Fällen dem
Umstände, dafs man in den betreffenden Para-
menten Reliquien zu besitzen glaubte.

Am gröfsten ist noch die Zahl mittelalter-
licher Mitren. Kaum ein anderes Land dürfte
deren noch so viele aufweisen, wie gerade
Italien. Freilich gibt es unter ihnen nur
wenige materiell kostbare. Indessen kommt
es ja auch für die Geschichte der pontifikalen
Kopfbedeckung in erster Linie auf die Form
und erst in zweiter auf die Ausstattung an.

Die noch erhaltenen mittelalterlichen Mitren
in Italien gehören dem Ausgang des XII., dem
XIII., XIV. und XV. Jahrh. an und geben dem-
gemäfs ein treffliches Bild der Entwicklung,
welche der bischöfliche K opfschmuck in Italien
während dieser Zeit genommen hat.

Rom besitzt noch drei Mitren. Der Schatz
der Kathedrale von Anagni, darf sich rühmen,

deren sogar vier zu bergen. Zwei zu Castel S.Elia
befindliche Mitren wurden schon früher in dieser
Zeitschrift besprochen. Zwei, auch was die
Ausstattung anlangt, höchst werthvolle Mitren
befinden sich im Dom zu Bologna, zwei andere
zu Monza. Je eine Mitra treffen wir in der
Kathedrale von Capua, in S. Trinitä zu Florenz,
im Museum zu Ravenna, in S. Zeno zu Verona,
im Collegio delle missioni zu Bagnorea, im
Dom zu Cividale und zu Vallombrosa. Zu Or-
vieto war 1896 eine von P. Grisar entdeckte
Mitra Cölestins V. ausgestellt. Ist die Beschrei-
bung, welche mir von der Vallombrosaner
Mitra gemacht wurde, richtig, so wäre sie ein
ebenso interessantes Stück wie so ziemlich einzig
in ihrer Art. Wir hätten in ihr ein Beispiel der
ältesten Mitraform. Nach den Angaben, die
ich vom Prior der Vallombrosaner in S. Trinitä
zu Florenz erhielt, soll die Mitra nämlich der
Hörner entbehren und Kegelform haben. Leider
verhinderte mich ein Unwohlsein in Verein mit
Ungunst der Witterung, sie persönlich in Augen-
schein zu nehmen. Ich möchte um so mehr
hier auf sie aufmerksam gemacht haben.

Das „biretum S. Proculi", welches Bock
wie Ch. de Linas noch in St. Zeno zu Verona
sahen, und welches ich gemäfs der Beschrei-
bung, welche dieselben von ihm gegeben haben,
in meiner »Geschichte der pontifikalen Ge-
wänder« mit grofser Wahrscheinlichkeit gleich-
falls auf eine Mitra der frühesten Form deuten
zu dürfen glaubte, ist leider nicht mehr vor-
handen. Alle Nachforschungen, die ich in
S. Zeno selbst, wie in Verona überhaupt an-
stellte, blieben ohne Ergebnifs. Bock schrieb
1866, de Linas 1861; es war demnach das „bi-
retum S. Poculi" noch gegen Ende der sech-
ziger Jahre in S. Zeno. Es scheint aber schon
seit geraumer Zeit abhanden gekommen zu
sein, da es einem so tüchtigen Kenner Ve-
ronas wie D. Antonio Pighi, Pfarrer von S.
Lorenzo, der mir mit liebenswürdiger Freund-
lichkeit alle mögliche Auskunft gab, völlig un-
bekannt war.

Doch einige näheren Angaben über die
Mitren. Von den drei römischen ist eine nicht
unbekannt. Es ist die sog. Mitra Silvesters I.
in S. Martino ai Monti. Sie wurde bereits
mehrfach seit der Zeit des Kardinals Angelo
 
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