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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Cremer, Franz Gerhard: Ein Rückblick auf die "moderne Kunst", [5]: in der internationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1904
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1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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hingen und das Gewordene verständlich werden
und beurteilt werden können. Dazu werden
wir uns auf diesem Wege auch darüber klar
werden, daß wir die fehlenden Mittel zur
Ausführung zu ersetzen haben; denn mußte es
uns nicht mit Scham und Entsetzen erfüllen,
wenn wir aus den „Räumen der Modernen''
nur einen flüchtigen Blick hinüber in jene
Räume warfen, welche uns die Bilder älterer
Schulen darboten? Sehen wirdochschonneuere,
nicht einmal die Jahre eines Lustrums zählende
Bilder gerissen, und einige schon der Ruine
nicht mehr fern, wohingegen uns der Alten
Werke in unveränderter Farbenpracht entgegen-
leuchten, die nur hin und wieder durch rohe
Hände oder durch Unberufene verursachte Zer-
störungen aufweisen. — Eines wollen wir aber
noch bemerken, weil es bei jeder hier anzustellen-
den Untersuchung wichtig bleiben wird: der Ge-
samteindruck des modernen Schaffens —
einige wenige Ausnahmen kommen nicht in
Betracht — ist der herrschender Willkür, wo-
hingegen das Schaffen der älteren Meister sich
sichtlich als ein innerlich gesetzmäßiges dar-
stellt.

Das letztere zeigt sich auch in dem Werke,
welches uns Philostratus der Altere beschreibt
(B. I, 13) und die Bezeichnung mit der Theo-
krit'schen Idylle: „Die Fischer" .eilt.

Die gleichen Anschauungen, welche bei Be-
handlung des Genrebildes erkennbar gewor-
den, blieben in den vergangenen Tagen auch
beim „Stilleben" maßgebend; diente doch
auch diese Bildgattung dazu, das Heim zu ver-
schönern. Gab es eine Mißernte oder brauste
zur Winterzeit der kalte Nord, so konnte sich
der Besitzer des Hauses doch an den über-
quellenden Körben mit des Herbstes Gaben
oder den taufrischen, duftenden Rosen erfreuen.
— Philostratus, der durch seine feine allseitige
Bildung und die bevorzugte Stellung am kaiser-
lichen Hofe unter Septimius Severus wohl ein
zuverlässiges Kunsturteil gewonnen haben dürfte,
führt uns in der Besprechung jener Galerie auf
dem Posilipo hin vor einige Bilder, deren kurze
Beschreibung deutlicher redet, als ein ganzes
kunstgeschichtliches Werk über „die Malerei im
Altertume". Folgen wir ihm! — Unter dem
Titel: „Gaben" — „Xenien" — beschreibt er
ein großes Stilleben mit reicher Jagdbeute,
Hunden, Blumen und Früchten, ähnlich wie
uns solche das XVII. u. XVIII.Jahrh. in so treff-
licher Weise gebracht haben. Es ist ein Werk

großartigsten Stiles und bei aller Breite der
Anlage von subtiler Durchführung. — „Die
Gastgeschenke" (ebend. 31), wenn auch minder
groß in der Anlage, zeigen dafür aber ein
solches Maß der Ausführung und eine so bril-
lante Technik, daß sich ein etwas näherer Ein-
blick lohnt. ,.....Dunkle Feigen, welche von

Saft triefen, sind hier auf Weinlaub aufgehäuft.
Sie sind gemalt mit geplatzter Haut: und die
einen geben nur durch einen kleinen Riß ihren
Honig von sich, die andern sind vor Reife
völlig aufgesprungen. Nahe bei ihnen liegt ein
Zweig, sollte man es wohl denken? — auch
nicht zwecklos und ohne Frucht: er muß viel-
mehr Feigen beschatten, die einen noch unreif
und Spätlinge, die andern runzlicht und über-
reif, noch andere etwas angegangen (ange-
fault), wobei sie die Blüte des Saftes sehen
lassen. Die da oben am Zweige hat der
Sperling angepickt, was auf die süßesten Fei-
gen hinweist.

Der ganze Fußboden ist mit Nüssen be-
schüttet, einige mit angequetschter Außenschale,
andere liegen ganz geschlossen da; andere
lassen die innere Scheidewand sehen. Aber
auch Birnen auf Birnen siehe da, und Apfel
auf Apfel, ganze Haufen . . . ., alle duftend
und goldreif. Ihr Rot sollte man nicht für
aufgetragen halten, sondern für natürlich. Diese
Gaben des Kirschbaums, diese Ernte so trauben-
artig im Korbe! Der Korb ist aber nicht etwa
aus fremdartigen Ruten geflochten, sondern von
dem Stocke selbst — aus den Weinreben ge-
flochten. Und siehst du auf das Gebinde der
Zweige und auf die daran hängenden Trauben,
und wie so deutlich die Beeren, so wirst du,
ich bin dess' gewiß, ein Lied auf Bacchus an-
stimmen, und mit „o beglückender Trauben-
geber" den Weinstock anreden. Man sollte
die gemalten Trauben für genießbar und wein-
haltig halten.

Und nun jenen, den Appetit reizenden fri-
schen Honig auf Feigenblättern, kaum gehalten
von der Wabe; er würde frisch hervorquillen,
wenn man ihn abstieße. Und Käse auf dem
andern Blatte, frisch gepreßt und noch nicht
fest. Und die Eimer mit Milch, die nicht
bloß weiß ist, sondern auch glänzt: denn von
dem obenschwimmenden Fette scheint sie zu
glänzen."

In seinem zweiten Buche gibt uns Philo-
stratus in der Beschreibung der „Penelope am
Webstuhle" aber ein Beispiel ,von so zarter
 
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