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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Cremer, Franz Gerhard: Unsere Künstler und das öffentliche Leben, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0141

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207

1906.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

208

Doch wie unwissend müssen wir uns erst im
Kreise jener unermüdet rastlos schaffenden
Männer vorkommen, die in den Werken der
Buchmalerei — dieser großen Kleinkunst —
für uns Rätsel auf Rätsel häufen?! Ist die
Erkenntnis schon der Anfang der Besserung,

Zunächst wird aus dem von Adolf Frey herausgegebenen
Buche: „Arnold Böcklin, nach den Erinnerungen seiner
Züricher Freunde" zitiert: ,,. . . Unter den neuen großen
Malern", sagt der Verfasser, „ist Böcklin der erste und
einzige, der die überlieferte und allgemein gebräuchliche
Technik (Öl) aufgab und sich einer von der zeitgenössi-
schen abweichenden zukehrte (Tempera)." — Auf der
zweiten Seite heißt es : „Über Ölfarbe findet man in dem-
selben Kapitel folgendes erwähnt: Wie weit man es
seitdem gebracht, sieht man ja: je dicker die Farbe,
desto mehr Öl war von nöten, und so ist es denn
kein Wunder, wenn die Bilder gelb, schwarz und
unscheinbar werden.1) Die Unsolidität hat bis auf
unsere Tage größere Fortschritte gemacht. Neuere
Bilder haben sich nicht so viele Jahrzehnte gehalten,
als die der alten Meister Jahrhunderte. Zu diesen
alten Meistern müssen wir also zurück." J) (Vorhin
sagte der Autor schon: ,,.... Über die Dauer und
Schönheit der Farben kann man sich nur bei den Alten
Rats erholen, ganz besonders bei den Brüdern vanEyck.)
Dann lesen wir noch etwas Merkwürdiges: „Die
Ölfarbe hat etwas Scharfes. Herbes, Spitziges, Ab-
surdes,3) die Tempera etwas Weiches, Tiefes, Sehn-
süchtiges." — Auf Seite 3 besagten Zirkulars heißt
es dann wie folgt: ,,.... wir können nun zu den
in der Beilage der Allgemeinen Zeitung von Professor
Dr. Ostwald, Leipzig, erschienenen Aufsätze über
Malerei übergehen, die in kurzer, klarer, leicht ver-
ständlicher Form die chemisch-physikalische Seite
sämtlicher Techniken behandeln und beweisen, daß
der Verfasser auch auf dem Gebiete der Tempera-
technik mit allen Einzelheiten vertraut ist. Er er-
wähnt Böcklin gleichfalls als Temperamaler und sagt
u. a., daß ein gutes Temperabindemittel vermöge seiner
zusammengesetzten Beschaffenheit4) durch die ganze
Masse auftrocknen und fest werden könne und da-
durch die Ursache des bei den Ölbildern
stattfindenden Reißens bei der Tempera weg-
falle. Im übrigen kommt Herr Professor
Ostwald zu dem Schluß, daß die Pastell-
malerei die einzig richtige sei. — Also das
Ende aller Mühe — sei bstdergeniale Einfall
der mikroskopischen Untersuchung eines
Bildquerschnittes — ist: Das Darangeben

') Ist es denn wirk/ich eine mit absoluter Notwendigkeit ein-
tretende Folge, dae* eine stärker aufgetragene Farbe nachdunkeln
mann f Wir verneinen ilas auf das entschiedenste und, geeUtttt
auf' unsere Forschungsarbeiten und Proben mit gutem Hecht!

3) Wir sind eben zu den alten Meistern zurückgekehrt, und
daher der Erfolg! Möge dieser Ruf zur Rückkehr aus der Sack-
gasse nur allenthalben Gehör finden !

*) Wer die Bilder der alten Flamldnder und deren Gefolg-
schaft kennt, wird zu diesem Satze wohl bedenklich den Kopf
schütteln.

*) Das ist ein Orake/spruch, dunkler und bedenklicher, wie
er je gegeben worden ist. Denn je größer die chemischen und
j/hi/sikalischen Fintcirkungen durch die Verschiedenheit der Stoffe
werden, um so bedenklicher steht es mit der llalthirkeit des Bildes !

so brauchen wir uns darüber nicht unnütz zu
besorgen, daß wir — sofern wir uns bescheiden
und aufmerksam nahen — in denselben ebenso
bereite wie bewährte Lehrer finden sollen. —
Haben wir darum acht! Denn wie wir in den
verschiedenen Zellen der Kalligraphen und

einer weiteren Untersuchung, also ein voll-
ständiges Verzichtleisten auf ein Wieder-
finden des alten bewährten Ölmalverfahrens!
Denn nur dann ist es möglich, die Pastellmalerei
als die einzig richtige zu empfehlen. — Hier zeigt
sich bestätigt, was wir eingangs erwähnten, daß sich
ein mit dem erforderlichen Rüstzeug ausgestatteter
Künstler auf diesem Gebiete mehr bewähren werde als
ein noch so hervorragender Fachlehrer. Dies klägliche
Verzichtleisten scheint aber eine Art Panique hervor-
gerufen zu haben. Denn in Nr. 15 des XXII. Jahr-
ganges der in München erscheinenden „Technischen
Mitteilungen für Malerei" (Redaktion: Adolf Willi.
Keim) findet sich ein Artikel: „Die Reform der Mal-
verfahren." Hier lesen wir: ,,.... Immer klarer
drängt sich das Bewußtsein auf, daß ohne Herstellung
besserer Malmittel eine organische und gesunde Fort-
bildung der Malerei sich nicht erhoffen läßt. Es
werden daher sowohl von Chemikern als auch von
Künstlern unausgesetzt Forschungen und Versuche auf
diesem Gebiete angestellt und zwar mit recht erfreu-
lichen Erfolgen!!!??? Die Losung, die sie alle
beherrscht, lautet: »Los vom Öl!«" — und diesem
folgt der merkwürdige Satz: „Denn daß das Ül nicht
das Bindemittel war, welches die alten Meister be-
nutzten, ist bereits eine erwiesene Tatsache." — Wenn
die Panique schon bedauerlicherweise zu
dem »Los vom Öl« führt und das Kind mit
dem Bade ausschütten läßt, so muß doch
die Behauptung im letzten Satze, weil jeg-
licher Begründung bar und durchaus unzu-
treffend, im Gern eini n te resse mit allerEnt-
schiedenheit zurückgewiesen werden. — Schon
im Jahre 1895 habe ich in meinen »Studien zur Geschichte
der Ölfarbentechnik« die Ölfrage auf das eingehendste
behandelt; gleiches geschah in den 1899 erschienenen
„Untersuchungen über den Beginn der Ölmalerei",
wozu man die Ausführungen von Seite 82—8f) ein-
sehen möge. Weiter äußerte ich mich nach langen
Erörterungen (in meiner Arbeit von 1902 „Zur Öl-
maltechnik der Alten", Seite 124) folgendcrmal.'en:
,,.... Wie der Aufstieg gelang, beweisen die vor-
liegenden Proben — und .Gegenproben' — und
gerade die letzteren beweisen, auf eine wie einfache
Art van Eyck und auch Dürer sich über die absolute
Sicherheit des angewendeten Materials Gewißheit ver-
schaffen konnten. So schlicht aber das Verfahren
auch ist, so verlangt dasselbe doch ein striktes Inne-
halten des einzigen allein richtigen Weges, was die
Gegenproben zur unumstößlichen Tatsache erheben. —
Als Grund für den Auftrag meiner Farben benutzte
ich zunächst länger gelagerte, gewöhnlich grundierte
Leinwand und verschieden grundierte Hölzer (Mal-
bretter). Als ich unter immer wachsender Beigabe
des Öles (als Bindemittel) die Pigmente weit über
deren Sättigungspunkt hinaus geschwängert hatte, trug
 
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