Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Cremer, Franz Gerhard: Unsere Künstler und das öffentliche Leben, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0142

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
209

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

210

Maler 20) — denn die Werkstätten der sonstigen
Vertreter der bildenden Kunst, wie der Skulptur,
(Toreutik), Gießerei usw.21) kommen für uns

ich diese übersättigte Farbe, deren Haltbarkeit mir
aus wissenschaftlichen Gründen gesichert erschien, zu
empirischem Versuche auf Glas auf und zwar in allen
Starken eines nur denkbaren Auftrages im Bilde: von
der dünnsten aquarellmäßigen Benutzung bis zu un-
statthafter Verwendung von mehr denn Millimeter-
Stärke. Diese Proben auf Glas müssen und dürfen
gewiß als die zuverlässigsten betrachtet werden und
bieten dazu den weiteren Vorteil, die Farben unaus-
gesetzt von der Vorder- und Rückseite bei der Trock-
nung beobachten zu können; gegen das Licht gehalten
können bei transparenten Farben die sich etwa im
Innern vollziehenden Wandlungen nicht ungesehen
bleiben. Neben diese Proben, die unausgesetzt allen
erdenklichen Fährlichkeiten (schon seit den Jahren
189ü—9G) wie: Sommersonnenbrand, großer Ofen-
hitze, wechselnd mit feuchter Kälte unbewohnter
Räume und dergleichen unterworfen geblieben sind,
habe ich das gleiche, aber ungeeignet bereitete Öl —
wie man es vom Händler erhält — aufgetragen, und
wie nun erstere den nur denkbaren Grad von Voll-
kommenheit zeigen, so letztere alle Stadien der Ver-
wesung. Die Vollkommenheit bekundet sich aber nicht
etwa nur in der tadellosen Erhaltung der Farbe,
sondern auch in der Möglichkeit, jewedem Wunsche
in der Behandlung zu genügen. So steht nichts im
Wege, die Strenge und Leuchtkraft der alt-flandrischen
Meister, wie die Tiefe und farbige Pracht der Calcarer
Schule zu ei reichen, oder die Glätte und Eleganz eines
Francois Cluet, wie die in reicheren Gegensätzen
schaffenden kölnischen Meister mit Erfolg anzustreben,
wofür ich nur an die Madonna in der Rosenlaube
(Museum Wallraf-Richartz-Köln) mit den hier matteren,
trockneren, dort wiederum verschmolzen behandelten
Tönen erinnern will, sowie auch dem derb-pastesen,
breit behandelten Auftrag späterer Realisten — ohne
jede Beschränkung beliebig aufzutragender Lasuren 6) —
nichts entgegen steht. Alles dieses konnte ich be-
obachten und zwar ohne die geringste Einbuße des
Tones. — Und dies erneut Errungene war einst
Geheimnis der Künstler- oder Maler-Zunft, deren Mit-
glieder das ihnen Anvertraute nicht nur gegen Un-
eingeweihte sorgsam bewahrten, sondern recht oft —
wie wir dies auch bei Dürer annehmen dürfen —
verbessert und bereichert forlvererbten.

J0) Maler und Mönch waren vom IX. bis XII.
Jahrb.. zusammenfallende Begriffe, sagen Wackernagel,
Heideloff und Sebastian Brunner, bei welch letzterem
man S. II des I. Teiles seines Werkes: „Die Kunst-
genossen der Klosterzelle" (Wien 1863) einsehen möge.

2I) Carl Heideloff: »Die Bauhütte des Mittel-
alters in Deutschland« (Nürnberg 1844) sagt, daß sie

5) Es genügt wohl zu wissen, um das Gesagte zu bestätigen,
dafs ich auf eine Zinkweissschichte von einem Millimeter
Stärke schon nach Verlauf von 14 Tagen eine kräftige Lasur
von Ultramarin, die glänzend stehen blieb, auftragen konnte.
Diese Prozedur wiederholte ich nach weiteren 14 Tagen, und
heute - nach Verlauf von 10 Jahren - steht die Farbe tadel-

los# __ lch wufste aber aus inneren Gründen,

dafs sie stehen würde, habe mich aber desungeachtet
durch den Augenschein überzeugen wollen.

hier nicht in Betracht—unterschiedliche Einflüsse
wahrnehmen, die in der Bereitung und An-
wendung der Materialien22) sichtbar werden,
wie nicht minder in der Formensprache2S)
Ausdruck finden, so zeigen die Bibliothek-
Schätze in breiten Zügen den durch die Jahr-
hunderte zurückleitenden Entwickelungsgang,
der uns in seinen letzten Anknüpfungen bis
über die christliche Zeit hinausführt. Die
Entwicklung der Kunst an des hl. Gallus
Ruhestätte ging mit der Pflege der Wissen-
schaften Hand in Hand, und dabei ist es
wichtig zu erfahren, welch hohen Einfluß hier-
auf dauernd die irischen Klöster behalten haben.
Zahlreich sind die Männer irischer Abkunft,
sagt Keller,24) welche sich um die Förderung
geistiger Kultur in St. Gallen bleibende Ver-
dienste erwarben. Seite 65 seines unten ge-
nannten Werkes sagt er sogar, daß überhaupt
kaum ein älteres Benediktinerkloster in Mittel-
europa gewesen sein dürfte, aus dessen Annalen
und Nekrologien sich nicht zeitweise Besuche
von Irländern nachweisen ließen. Da wir weiter-
hin wissen, daß besonders im VI., VII. und
VIII. Jahrh. die irischen Klöster als die treff-
lichsten Bildungsanstalten für Geistliche, als

Künstler aller Fächer gewesen. Und wie die deutsche
Baukunst in Albertus Argentinus, — wiederum einem
Benediktiner — dem Lehrer Erwins, gleichsam ihren
Kulminationspunkt erreichte, so fehlten dem Orden
der Benediktiner weder Juweliere noch Goldschmiede.
Denn zahlreiche Stellen beweisen, sagt Keller, daß sie
in der Verfertigung des Kirchengerätes große Fertigkeit
besaßen und campanas, cymbala, baculos, cruces, scrinia,
capsas, pixides, calices, discos, altariola, chrismalia,
librorum coopertoria — welche Gegenstände mit Gold,
Silber, Gemmen und edlen Steinen verziert wurden —
regna, Coronas usw. von besonderem Reichtum und
Werte zur Ausschmückung der Kirchen, Altäre und
Heiligenschrcine ausarbeiteten.

'-') I. a. O. heißt es: „. . . . die Chemie jener
Zeiten war ganz in ihren Händen und lieferte ihrer
Arzneikunde Mittel, die heute noch in unseren Offizinen
vorkommen."

2:1) Dafür sei nur a. a. O. auf die einzige Stelle
hingewiesen, die wir übrigens durch eine umfassende
Arbeit bestätigen könnten: „. . . . ihnen verdanken
wir die herrlichen Formen in der sogenannten byzantini-
schen Baukunst und die prachtvollste Ornamentik, sie
waren Künstler aller Fächer; Mathematik mit allen
ihren Nebenwissenschaften, Musik, Kalligraphie hatten
in den Klöstern ihre Meister . . . ."

2<) Bilder und Schriftzüge, in den irischen Manu-
skripten der schweizerischen Bibliotheken gesammelt
und mit Bemerkungen herausgegeben von Dr. Ferdinand
Keller; im III. Hefte des VII. Bandes der „Mit-
teilungen der Antiquarischen Gesellschaft" in Zürich.
(Zürich 1851), S. 64.
 
Annotationen