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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Oidtmann, Heinrich: Die Glasgemälde des Obergadens im Hochchor des Kölner Domes, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0099
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1909 — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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der*Abteikirche, daß die deutsche Glasmal-
kunst auch diesen Zweig vollkommen be-
herrschte. Nachdem in der Mittelkapelle des
Domes romanisierende Anklänge uns einen
verspäteten Scheidegruß aus jenem Zeitabschnitt
übermittelt und zu den frühgotischen Medaillon-
fenstern hinübergeleitet hatten, trat plötzlich
der Meister der Chorkapellenfenster mit einer
durchaus neuen Anordnung auf den Plan, zuerst
durch die großen Einzelfiguren unter Baldachi-
nen, dann durch die in der meisterhaften
Raumeinteilung unübertroffenen, für ihre Be-
stimmung äußerst zweckdienlichen, architek-
tonisch reich gegliederten Gruppenfenster.

Der nämlichen Werkstätte gehören die
Hochfenster an; nur sind sie mit Rücksicht
auf den Standort unter vernünftiger Verzicht-
leistung auf die köstlichen Einzelheiten der
Kapellenfenster derber, gröber gehalten. Sie
übertreffen gleichzeitige Wandmalereien an
Festigkeit und Bestimmtheit der Pinselführung,
die allerdings teilweise durch die Technik ge-
boten erschien. In den hohen König<gestalten
prägen sich eine ruhige Größe, eine breite
Einfachheit des Faltenwurfs aus, gepaart mit
feierlicher, hoheitsvoller Würde der Haltung
und Geberde, trotz, vielleicht gerade wegen der
Unzulänglichkeit der Darstellungsmittel. Nicht
ohne Grund haben diese Glasmalereien bei
der Ausstattung der Chorschranken vorbild-
lich gewirkt; zweifellos hat zwischen beiden
Meistern enge Fühlung bestanden.

Instandsetzung. Soll das herrliche
Farbenspiel wieder in der Gesamtstimmung
des Dominnern den ihm zustehenden Einfluß
erhalten, dann ist, abgesehen von der tech-
nischen Notwendigkeit einer Neufassung, wo-
bei Bleiruten mit dicken, hohen Flügeln vor-
zusehen sind, die kunstverständige Reinigung
der prächtigen Fenstermosaiken unbedingt
erforderlich. Die Hochfenster sind zuletzt
bei Beginn der 1840er Jahre umfassend aus-
gebessert, ergänzt und instandgesetzt worden.
Ob man damals sämtliche Gläser einer gründ-
'dien Reinigung unterworfen hat, entzieht sich
nachträglicher Beurteilung. Jedenfalls zeigen
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e!ner vor etwa 12 Jahren vorgenommenen,
eingehenden, und einer jüngst wiederholten
äußeren Besichtigung überzeugen konnte, ver-
schieden starken Belag, über dessen Beschaffen-

heit ich mich früher geäußert habe. Vielleicht
hat unterdessen der seit Jahrzehnten wesent-
lichvermehrte Gehalt an Kohlensäure, der über
Köln schwebenden Dunstwolke die Entglasung
beschleunigt; möglich, daß die Gasbeleuchtung
durch Steigerung des Kohlensäuregehaltes der
Luft nachteilig wirkt; nachgewiesenermaßen ist
diese Beleuchtungsart in Kirchen zweifelhaftem
Schwarzlot sehr verderblich.

Vor Beginn der Arbeiten ist der Bestand
durch Photographie und nicht durch kost-
spielige, bei größter Gewissenhaftigkeit niemals
gleich zuverlässige Pausen festzulegen; außer-
dem sind die Farben niederzuschreiben. Da
die Glasgemälde der Hochfenster stellenweise
vom Sturm arg durchgedrückt, eingebaucht sind,
tut höchste Eile not. Ziemlich erhaltene Felder
mag man an Ort und Stelle reinigen, mangel-
hafte zur Werkstätte schaffen. Da die Kopf-
form durch den Ausschnitt gegeben ist, kann
es nicht schwer fallen, unter Benutzung alter
Vorbilder neue Gesichter zu zeichnen.

Der gegenwärtige Eindruck ist nur bei voller
Belichtung befriedigend, bei zerstreutem oder
gar bei schwachem Licht dagegen trübe und
schwarzfleckig; daher müssen die Helligkeits-
unterschiede ausgeglichen werden.

Vorsichtige, recht behutsame Reinigung
allzu dunkler Gläser, Ausmerzung und kunst-
gerechter Ersatz mißlungener Flickereien, sorg-
fältige Schonung der alten Gläser und mäßigen
Glasrostes, verständige Abdämpfung etwaiger
Härten werden dem Lichtgaden des Hoch-
chors eine wunderbare Beleuchtung geben;
dann wird reichliche Lichtfülle durch die
weiten Öffnungen hineinfluten, mild gebrochen
durch das funkelnde Farbenspiel der trefflich
abgestimmten Glasmosaiken; dann wird der

hoheChordesgewaltigenDomeswiederdielicht-
durchstrahlte Innenwirkung zeigen, wie sie
der große Baumeister sich gedacht und durch
seine Glasmaler hat vollenden lassen.

Linnich, Rheinl. Heinrich Oidtmann.

[Dem Verfasser ist von der „Gesellschaft für
Rheinische Geschichtskunde" für die Lösung
der Preisfrage der Mevissen-Stiftung: „Die Glasmalereien
in den K heinlanden vom XIII. bis zum Anfang des
XVI.Jahrh.", auf Grund der von den Preisrichtern
Clemen, Geiges, Rahn, Schnütgen abgegebenen Urleile
durch Beschluß des Vorstandes vom 29. Juni dieses
Jahres, der Preis zuerkannt worden.] D. H.
 
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