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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Tepe, Alfred: Kleine Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0100

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139

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST -, Nr. 5.

140

Kleine Erinnerungen.

(Mit 8 Abbildungen, althoiländische Familienhäuschen.)

as Alter setzt sich gern auf den
Plauderstuhl und erzählt der gern
oder ungern zuhörenden Jugend
seine Erinnerungen und Geschich-
ten. Mancher hat ein Tagebuch gehalten und
weiß Daten und Umstände mit historischer
Treue anzugeben. Es gibt aber auch noch
andere Arten von Tagebüchern als geschriebene.
Wer als Maler oder Architekt die Gewohnheit
hat, auf Reisen und Spaziergängen das ihn
Interessierende, wenn auch noch so flüchtig,
in sein Skizzen- oder
Notizbuch einzu-
tragen, der findet
nach längerer Zeit
sich im Besitz nut-
zenswerter Studien
sowohl, als die Ver-
gangenheit beleben-
der Erinnerungsblätt-
chen. —Von meinen
so entstandenen Vor-
rat habe ich später
einiges unter Reis-
schiene und Dreieck
genommen und in
Tusche ausgezogen,
sodaß es reproduk-
tionsfähig wurde. —
Als ich die Sächel-
chen dem verehrten
Herausgeber dieser
Zeitschrift vorlegte,
forderte er mich auf,
im Anschluß an
meine „Rundschau

vom Utrechter Domturm", (in Bd. XX. 99—112)
noch einige altholländische Familienhäuschen
seinen Lesern zu präsentieren. Wie diese finden
werden, handelt es sich nur um bescheidene und
bescheidenste Bürgerwohnungen, wie sie ohne
Mühe im Vorbeigehen aufgezeichnet und mit-
genommen werden konnten; größere und
reichere Patrizierhäuser würden längere Zeit und
größeren Apparat erfordert haben. Glück-
licherweise hat die „Maatschappij" tot Be-
vordering van Bouwkunst sich ihrer erbarmt
und das Hervorragendste sorgfältig aufgenom-
men und herausgegeben. — Abb. 1, 2 und 3
sind Amsterdamer Häuschen. Um das Jahr

Abb. 1. Häuser in Amsterdam.

1850 lag Amsterdam noch im Morgen-
schlummer; es hatte einen langen, tiefen
Schlaf getan. Es ist mit Völkern und Städten
wie mit Einzelmenschen; auf Überanstrengung
folgt Abspannung, Erschlaffung. Gewiß, es
war keine Kleinigkeit für ein numerisch un-
bedeutendes Völkchen, ein Jahrhundert lang
die Hauptrolle zu spielen in Weltpolitik und
Weltentdeckung, in Krieg und Frieden, in
Seefahrt und Kolonisation, in Kunst und Wissen-
schaft. — Amsterdam, die Haupt- und Handels-
stadt war Weltstadt
gewesen, Führerin
im mächtigen Ringen
und Streben. Als
Hauptzeuge ihrer
einstigen Macht und
Größe steht noch
auf dem Damm in
voller Glorie das
Rathaus. Als es
entstand, wurde es
von zeitgenössischen
Dichtern als achtes
Weltwunder geprie-
sen. DieZahlderein-
gerammten Pfähle,
worauf das Funda-
ment ruht, ergibt
sich, wenn den 365
Jahrestagen eine
„Eins" vorgesetzt
und eine „Null"
angehängt wird:
1 — 365 — 0. Ein
ganzer Wald, worauf
es ruht:

,,het achtste Wereldwonder.
Van zooveel stcens omhoog, en zooveel houls van onder."

Napoleon hat das ehemalige Rathaus zum
königlichen Palast gemacht. Neuerdings war
die Rede davon, das „Paleis" wieder zum Rat-
haus umzuwandeln. Nichts könnte verkehrter
sein; seit einem Jahrhundert repräsentiert nicht
mehr der Bürgermeister von Amsterdam, sondern
das Haus Oranien das niederländische Volk.

War auch die Stunde des Erwachens, der
Neuentwickelung und Umgestaltung nahe, noch
war die Bevölkerung nicht ausreichend, die
ausgedehnte Stadt zu füllen und durch regen
 
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