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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Creutz, Max: Ein Reliquienschreinchen aus dem Anfang des XI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0147

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217

1909 — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

218

Ein Reliquienschreinchen aus dem Anfang des XI. Jahrhunderts.

(Mit 5 Abbildungen).
n Friesoythe

(Oldenburg) wurde
beim Abbruche des alten, aus
großen Backsteinen gemauerten
Altares der Kirche in einer Höh-
lung der Rückseite ein kleiner Reliquienschrein
aus Elfenbein (Ig. 9, h. 2,8, br. 5,5 cm) ge-
funden,1) der wegen seiner Seltenheit für die
Zeit der frühromanischen Kunst von großem
Interesse ist.
(Abb, 1,2,3,4).
Der Schrein
zeigt die ein-
fache Form der
Reliquienbehäl-
ter, wie sie im
Andreasreliqui-
ar des Trierer
Domes aus dem
Ende des X.
Jahrh. und ei-
nem kleinen,
bisher wenig be-
achteten Niello-
k ästchen aus

bernwardini-
scher Zeit im

Hildesheimer
Domschatz wie-
derkehrt.

In spitzova-
lem Felde ist
auf dem Deckel
des sonst aus
einem Stück
Elfenbein ge-
schnitzten Käst-
chens ein grüner

hellgesprenkel-
ter Serpentin
eingelassen. In den Zwickeln sind die Evan-
gelist ensymbole und am Rande ein feiner
Blattfries mit Perlstabumrahmung angebracht.
Die Längsseiten tragen die Halbfiguren von
je sechs Aposteln zwischen feinen Säulen. Die
Apostel halten in symmetrischer Anordnung
zu Zweien jeder ein Buch mit verhüllten
Händen. Auf der einen Schmalseite scheinen

.r •. -v«^*ä» .

Abb. I.

Abb.

') Gleichzeitig gefunden wurden von Herrn Pfarrer
Meyer zwei kleine Urnen aus Holz (Abb. 5) mit Reli-
quien und ein Siegel (Sig. Johannis Epp.).

drei Halbfiguren schematisch wiederholt, die
andere Schmalseite ist nicht mehr erhalten.
Der Faltenwurf wurde in weicher antikischer
Behandlung durchgeführt. Die Nimben der
Apostel, die Gewandung und Teile des Hinter-
grundes zeigen Spuren alter Vergoldung. In
der Zusammenstellung des Materiales, des Elfen-
beines mit dem Dunkelgrün des Serpentins,

dem Glänze des
Goldes äußert
sich noch deut-
lich der kolori-
stisch verfeiner-
te Sinn der otto-
nischen Epoche.
Besonders die
Vorliebe für Ser-
pentin, der da-
mals überaus
selten war, ist
für das Farben-
empfinden der
nachottonischen
Epoche charak-
teristisch. Im

Herford er
Schatze des Ber-
liner Kunstge-
werbemuseums
zeigt eine Tauf-
schale des XL
Jahrh. gleich-
falls diese Stein-
art, und auf
der vergoldeten

Metallfassung
eine Inschrift,
die gleichzeitig
3- auf die Schön-

heit und Seltenheit des Steines hindeutet:
„Munere tatn claro dilat nos Africa raro."
In formaler Beziehung ist der Schrein von
Wichtigkeit, weil er mit seltener Deutlichkeit
den Übergang der ottonischen Kunst in den
streng romanischen Stil verkörpert.

Die Wirkung der großen Reichenauer
Maler-2) und Goldschmiedeschule8), die sich

Abb. 2.

') W. Vöge, »E;ne deutsche Malerschule um
das Jahr 1000«. (Trier 1819).

3) M. Creutz, „Rheinische Goldschmiedeschulen
 
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