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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Endres, Joseph Anton: "Die Verherrlichung des Dominikanerordens" in der Spanischen Kapelle an S. Maria Novella zu Florenz: Ein Beitrag zur Erläuterung des Bildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0219

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323

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. U.

324

„Die Verherrlichung des Dominikanerordens" in der Spanischen Kapelle

an S. Maria Novella zu Florenz.

Ein Beitrag zur Erklärung d'es Bildes.

(Mit Abbildung — Tafel XU)

I~gJCa ie vor ungefähr einem Menschen-
Ks ] alter erwachende Vorliebe für die
VtyA i Werke der italienischen Früh-
*■ "TT^^U renaissance hat die Erkenntnis ge-
zeitigt, daß die Bedeutung der beiden großen
Mendikantenorden des Mittelalters in ihrem
religiösen, sozialen und wissenschaftlichen
Einflüsse sich nicht erschöpft, sondern daß
diese auch einen wesentlichen Faktor im künst-
lerischem Schaffen der zweiten Hälfte des
Mittelalters bilden. Neben der Architektur
ist es namentlich die Malerei, welche Zeugnis
hierfür ablegt, und die hervorragenden Werke
dieser letzteren Kunst fanden demgemäß in
den zuletzt verflossenen Dezennien zahlreiche
und eifrige Interpreten. F. X. Kraus kommt
das Verdienst zu, auch den Anteil der Domini-
kaner an der Entwicklung der Malerei der
Frührenaissance ins vollere Licht gerückt zu
haben. Was er unter dem Titel „Die alle-
gorische Klosterkunst des Trecento" bietet,
ist das Beste, was über diesen Gegenstand
bisher vernommen werden konnte. Daß aber
auch hier nicht in allen Einzelheiten bereits ein
letztes Wort gesprochen ist, möchten die
folgenden Zeilen andeuten. Ihre Absicht ist
lediglich, zu der Krausschen Erklärung des
großen Gemäldes an der Ostwand derSpanischen
Kapelle von S. Maria Novella zu Florenz
„Die Verherrlichung des Dominikanerordens"
eine kleine Korrektur und Ergänzung zu geben.
Der großartige malerische Schmuck der
spanischen Kapelle, des ehemaligen Kapitels-
saales des Dominikanerklosters, hat zum Zwecke
die Verherrlichung des Dominikanerordens
und zwar mit der ganz bestimmten Bezug-
nahme auf die drei Heiligen, die der Orden
zur Zeit des Ursprungs der Gemälde sein
eigen nennen konnte.

Kraus beginnt seine Erklärung des ganzen
Zyklus mit dem Triumph des hl. Thomas
von Aquin, da er von den Triumphbildern
dieses Heiligen aus an die Spanische Kapelle
herantritt. Unabhängig von diesem Zusammen-
hange müßte die Erklärung ohne Zweifel mit
dem großen Gemälde rechts an der Ostwand
beginnen. Es entrollt in großzügiger historisch-
allegorischer Weise das Programm des Ordens

und zwar in der Durchführung, welche es
durch seine drei kirchlich anerkannten Heiligen
bereits gefunden. Man kann Kraus völlig
beistimmen darin, „daß, wie an der Westwand
der vorzüglichste Lehrer des Ordens, so hier
der Orden selbst gefeiert wird; sein ganzer
Anteil an dem Werke der Kirche auf Erden,
d. i. an der Führung der Menschheit zur
Seligkeit, wird hier vorgeführt."1) Schon
Vasari hatte demnach richtig gesehen, wenn
er als Inhalt des Bildes angibt »/a Religione
e Ordhie del medesimo« (S. Domenico), die Be-
kämpfung der Häretiker, die Disputation mit
diesen, ihre Bekehrung und der Eintritt der
Bekehrten ins Paradies.2)

In der Ausdeutung der einzelnen Gruppen
des Gemäldes hat nun aber offenbar der ver-
diente Freiburger Kunsthistoriker das Richtige
nicht getroffen. Er redet von der Mission,
die dem hl. Dominikus vorschwebte, und daß
in seinem Ohr fortwährend das Wort des
Apostels wiederklang: Gehe und predige!
„Dementsprechend, so meint Kraus, nimmt in
unserem Gemälde rechts vom Beschauer die
Predigt und Schrifterklärung des hl. Dominikus
die erste und das Ganze einleitende Stelle
ein. Man sieht ihn den mit der Heiligen
Schrift hantierenden Ketzern die aufgeschlagene
Bibel mit der rechtgläubigen Erklärung ent-
gegenhalten. Eine zweite Szene schildert uns
eine Disputation des Heiligen mit den Juden
und Mauren, die durch ihren hohen Kopf-
putz und ihre Physiognomien charakterisiert
sind. . . . Mit der folgenden großen Szene
eröffnet sich die zweite Hauptfunktion des
Ordens, die Inquisition. Sie spielt schon im
Leben des hl. Dominikus ihre Rolle. Seine
Biographen, Konstantin von Orvieto und der
selige Humbert, berichten die Überweisung
von Ketzern an die weltliche Obrigkeit."
Und nun glaubt Kraus geradezu in der großen
Versammlung vor dem auf der linken Seite
des Bildes dargestellten Dome das Tribunal
für die Reinerhaltung des Glaubens erblicken

') F. X. Kraus, »Geschichte der christl. Kunst«,
(Freiburg 1908) II, 2 S. 152.

2) a. a. O. S. 151, G. Vasari, »Opere«, (Trieste
1857) p. 131.
 
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