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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schmid, Andreas: Polychromie der Kirchen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0201

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297

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

'298

Polychromie
I. Geschichtliches,
s ist nicht möglich, die Geschichte
der monumentalen Malerei, wenn
auch nur die ornamentale Seite
(Dekorationsmalerei) ins Auge ge-
faßt wird, in den Rahmen eines Artikels ein-
zufassen und doch ist es notwendig, eine Über-
sicht der Geschichte zu geben einerseits, um
zu zeigen, daß von jeher Farbenschmuck an
den Wänden der Kirche beliebt war, ander-
seits wird die Frage leichter gelöst, ob auch
in Renaissance- und Barockkirchen Farben-
tünchung in Anwendung kommen dürfe.

Die Assyrer schmückten das Äußere
ihrer Tempel mit glasierten Ziegeln, aufweichen
Figuren und Ornamente (Palmetten, Guilloche,
Zinnen, Blattformen; dargestellt waren. Im
Innern bestand die Wandmalerei aus einer
satten Grundfarbe und denselben bunt ange-
legten Motiven.')

Die ägyptische Wandmalerei wich von
der assyrischen nicht wesentlich ab; nur im
Äusseren wurden zur größeren Haltbarkeit die
Konturen der Zeichnung eingeritzt und mit
Farbe ausgefüllt (Koilanoglyphen). Die Töne
bestanden in satten, zunächst rötlichen Farben.
Bei den Griechen war Emanzipation der
Form von dem Stofflichen Tendenz und „bei
dieser Tendenz mußte das hellenische Bau-
prinzip vornehmlich die Farbe als die sub-
tilste körperloseste Bekleidung für sich vin-
dizieren und pflegen. Sie ist das vollkommenste
Mittel, die Realität zu beseitigen; denn sie ist
selbst, indem sie den Stoff bekleidet, unstoff-
lich."2) Kein Zweifel besteht darüber, daß die
Decken und die Wände der Tempelzella be-
malt waren und erhaltene Reste von Malereien
ermöglichen eine Rekonstruktion; schwieriger
ist die Rekonstruktion, wenn es sich um die
Frage handelt, wie auch die Bauglieder im
Äußeren bemalt waren. Es liegen verschie-
dene Muster von Semper, Springer, Seemanns
kunsthistorischen Bilderbogen 879—381 u. dgl.
vor, welche alle darin übereinstimmen, daß
primäre blaue und rote Pigmente in Anwen-
dung kamen und mit eingelegtem Gold ge-
hoben wurden. Wenn heutzutage eine Kirche
in solch kräftigen Tönen ausgemalt würde,
wäre des Entsetzens kein Ende; den Griechen,

') Abb.Semper, »Stil.<- (Frankfurt 186O) I Taf. 12.
») a. a. O. I S. 445.

der Kirchen,
welche jedenfalls soviel Kunstsinn besaßen
als das XX. Jahrh., verzeiht man diesen Bunt-
schmuck.

Besser noch als über die griechische Poly-
chromie ist ein Urteil über die römische
möglich, weil das ausgegrabene Pompeji noch
Muster in Menge zeigt. Es finden sich dort-
selbst Quadrierungen, Teppiche mit schmalen
Bordüren und eingesetzten Figuten, ja selbst
förmliche Architekturmalereien. Über letztere
äußert sich sehr scharf Vitruv; allein einem
Architekten ist dieses Urteil zu verzeihen, weil
er alle angemalten Bauglieder nach der Schwere
beurteilt und fragt: „Wie kann ein Rohr in
Wahrheit ein Dach tragen oder ein Lampen-
ständer den Giebelschmuck?"3)

2. Daß nach diesen vorchristlichen Mustern
auch die Christen an der Polychromie ihrer
Gebetsräume festhielten, darfnicht verwundern;
sogar zur Zeit der Verfolgungen zeigen die
unterirdischen Kubikula der Cömeterien einen
Farbenschmuck, welcher in den Kirchen der
Gegenwart selten zu finden ist. An den
sonnenlosen, dunklen Wänden der Gänge sieht
man nur wenige farblose Flächen; manche
Verzierungen, z. B. Blumengehänge, Wein-
ranken, Akanthusgewinde, Meerungeheuer, See-
pferde, Tritonen und dergl. gingen aus dem
Heidentum unverändert in den Wandschmuck
über, ebenso die Einteilung des Raumes mit
übereckgestellten Quadraten und Kreisseg-
menten. 4) Dazwischen finden sich christliche
Symbole in den verschiedensten Formen. Man
scheute sich nicht, sogar Stuckverzierungen
durch Farben für das Auge zu heben, wie die
Gewölbemalereien in den 159 n. Chr. aus-
geführten Latinergräbern zeigen.5) De Rossi,
Roma sott, und Wilperts großes Werk über die
Katakomben bieten genügend farbige Muster.

In den Basiliken hatte ohne Zweifel,
nachdem der Heiligenkult sich mehr ent-
wickelt hatte, die monumentale Malerei die
Oberherrschaft; allein mit derselben stand die
Dekorationsmalerei in engster Verbindung, wie
die noch erhaltenen Mosaiken in Ravenna
und Rom zeigen. Die Motive bestanden in
Mäander, Herzblatt, Eierstab, Perlstab, Oke-
anos (laufender Hund, Wellenornament), Wein-

») »De arch. VII 0.

*) Vergl.Garruci, »arte crist.« tav. 223, 255, 256.

'; Seemann, »kunsthist. Bilderbogen« n. 4f>8.
 
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