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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schmid, Andreas: Polychromie der Kirchen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0249

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371

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Ni. 12.

372

Polychromie der Kirchen.

III. Technik der kirchlichen Dekora-
ti ojns mal er ei.
ie Farben haben ihre größten Feinde
| in der Feuchtigkeit, in Frost,
Sonnenlicht und im Temperatur-
wechsel. Sollen sie all diesen
Feinden trotzen, so muß der Verputz aus gut
gelöschtem Kalk und gereinigtem Sande ohne
Beimischung von Gips und Zement hergestellt
werden und darf nicht provisorisch übertüncht
oder übermalt werden, weil der Verputz mit
einer späteren Farbe nicht mehr dieselbe
chemische Verbindung eingeht wie mit der
ersteren.

Wird bekannt, daß eine Kirche ausgemalt
werden soll, so drängen sich am meisten die
Anstreicher und Zimmerraaler des Ortes heran
und wollen die Arbeit an sich reißen, wenn
sie auch keine geschichtlichen, stilistischen
Kenntnisse besitzen und nur mit Leimfarbe
umzugehen wissen. Auch Historienmaler sind
selten in der Lage, einen Dekorationsplan an-
fertigen zu können, weil sie immer fürchten,
es geschehe ihren Bildern zu wehe und weil
sie auf den Akademien neben der figuralen
Malerei kaum Dekorationsmalerei erlernten.

Zu warnen ist vor Leimfarbe, weil sie
der Farbe schwach beigemengt zu wenig
Bindekraft hat und stark angewendet sich ab-
blättert oder vom Kalk der Mauer zerfressen
wird. Bei den Malern sind diese Farben am
beliebtesten, weil sie sich leicht streichen
lassen und zarte Flächen bilden. Alle Bei-
mischungen wie Milch, Schmierseife vermögen
die Nachteile nicht zu verhüten. Nach 10 bis
20 "Jahren darf das Gerüst wieder aufge-
schlagen werden.

Als Ersatz für Leim wird seit etwa 20
Jahren Duramyl aus einer Kölner Fabrik
verwendet und soweit mir bekannt ist, nicht
ohne Erfolg.

Für große Flächen wird immerhin noch
Kalk am meisten gebraucht, obwohl er manche
Nachteile mit sich bringt. Einmal ist Gefahr,
daß er die Farbe zerstört; sodann schließt er
dunkle Farben aus und bindet zu wenig. Um
letzteren Fehler zu heben, wird etwas Wein-
essig beigemischt oder auch Firnis oder end-
lich auch Salz, welches kristallisiert

Andere Maler ziehen Eiweiß oder auch
Eigelb-Tempera vor.

(Schluß).

Mattöl d. h. Ölfarbe mit Terpentin auf
dreifachem Ölanstrich ist sehr haltbar, aber
schließt die Poren der Wände und hat ins-
besondere an der Decke den Mißstand, daß
Schwitzwasser abträufelt, wenn nicht genug
Luftlöcher offen sind.

Statt Terpentin kann auch flüssiges Wachs
verwendet werden und ist auf trockener Mauer
sehr widerstandsfähig, wie schon Vitruv an-
erkennt. Das Nähere gibt eine Broschüre an
von Ferd. Rham, Ölwachsfarbe, 4. Auflage.
Bonn 1890.

Käse in färbe aus Topenkäs mit unge-
löschtem Kalk gemischt besitzt, wie der
Schreinerkitt beweist, große Widerstandskraft,
läßt Feuchtigkeit durch und ist wohlfeil.

Silikat färbe hat die Hoffnungen, welche
man auf dieses Bindemittel setzte, nicht in
allweg erfüllt. Dasselbe gilt auch von den
heute am meisten angepriesenen Keim-
farben, weil sie einen Grund erfordern,
welcher noch nicht mit anderer Farbe ge-
sättigt ist. Auf ganz neuem Verputz ver-
binden sie sich chemisch mit den Mineralien
desselben und können als derzeitiges sicherstes
Mittel empfohlen werden.

Man sieht nur aus dieser Darlegung, wie-
viel bei Ausmalung der Kirchen auf die
Auswahl der Farben ankommt, nicht bloß in
bezug auf Haltbarkeit, sondern auch auf die
Höhe des Preises per qm.

Für figurale Ausschmückung der Kirche
hat ein früherer Artikel dieser Zeitschrift VII,
1894 aus der Feder P. Beissels treffliche
Winke gegeben; ich möchte mich nur noch
über die eine Frage aussprechen, ob zur
kirchlichen Dekorationsmalerei lieber frische,
satte oder besser matte und gebrochene
Töne verwendet werden sollen. Die Ansichten
gehen weit auseinander.

In unserer Zeit „steht der Farbensinn auf
einer kläglich tiefen Stufe —" schreibt ein
neuerer Kunstgelehrter.l) Ein anderer urteilt:
„Je tiefer allmählich eine Zeit sinkt, desto mehr
schwindet die Lust und Freude an Farbe.')
Ebenso spricht sich A. Reichensperger aus: Die
langgewöhnte öde Eintönigkeit in unscrn öffent-
lichen Gebäuden wie in den Privatwohnungen

') Text zu Seemanns »kunsthist. Bilderb.t I. S. 24.
•) Stockbauer, »Kunst im Hauset S. 23,
 
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