Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0188

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
281

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

282

Bücherschau.

Gott und Welt. Randzeichnungen aus dem Gebet-
buche des Kaisers Maximilian von A1 b r e c h t)
Dürer. Mit der ausführlichen Besprechung von J. W.
v. G o e t h e. — Fritz Heyder in Berlin. (Pr. Mk. 2,50.)
Die Federzeichnungen, mit denen Dürer das für
Kaiser Maximilian von Schönsperger in Augsburg 1514
gedruckte umfangi eiche lateinische Gebetbuch geschmückt
hat, sind bekanntlich von Goethe eingehend besprochen
und in hohen Tönen gepriesen worden. Diese Be-
schreibung, die das ,,Hohe und Würdige", das „Humo-
ristische" und „Christliche" besonders betont, ist hier
auf 16 Seiten in gotischer Schrift, also ähnlich dem Text
des Gebetbuches, wiedergegeben, und die breiten Ränder
wie die folgenden fünf leeren Blätter sind zur An-
bringung der bekanntich so phantastisch ersonnenen
wie herrlich gezeichneten, großartigen Einfassungen
benutzt, so daß dieses Heft zu Dürers Illustrations-
kunst einen prächtigen Beitrag liefert. K.

Die Kunst dem Volke. Herausgegeben von der
„Allg. Vereinigung für christliche Kunst" in München,
Nr. 1. (Pr. 50 Pf) Albrecht Dürer von Dr.
Johann Dam rieh. — Mit 60 Abbildungen.
Mit dieser Erstlingsschrift hat die neue „Vereini-
gung" sich vortrefflich eingeführt, denn das Thema ist
vorzüglich gewählt, der Text geschickt gemacht, die
Illustration nicht nur richtig ausgewählt, sondern auch
gut ausgeführt und verteilr, endlich der Preis ungemein
niedrig, so daß wirklich Massenverbreitung zu er-
warten ist, (in welchem Falle der Preis sogar auf
50 Pf. sinkt). — Die Art, wie der Verfasser in die
Auffassung des Meisters und seines religiösen Inhaltes
einführt, ist sehr ansprechend, weil klar und volks-
tümlich, so daß sie als mustergültig bezeichnet werden
darf, die Meisterwerke der religiösen Kunst dem
Verständnisse des Volkes näher zu bringen, das den
zumeist von Forschungsinteressen geleiteten Kunst-
historikern nicht so leicht gelingt. H.

Meister der Graphik. Herausgegeben von
Dr. Hermann Voß. — Klinckhardt & Bier-
mann in Leipzig. — I. Band: Pr. geh. Mk. 10,
geb. Mk. 12. Mit einem Titelbild und 98 Ab-
bildungen auf 45 Tafeln in Lichtdruck. Jacques
Callot von Hermann Nasse.
Neben den großen Lieferungswerken, die uns mit
Klassikern der Malerei und Plastik bekannt machen,
fehlte es bis jetzt an guten Reproduktionen der Meister-
werke graphischer Kunst, die zwar keine so große
Gemeinde der Verehrer haben, aber eine desto intimere,
weil zur Würdigung dieser Meister eine wärmere Hin-
gabe und ein tieferes Verständnis erforderlich ist. Des-
wegen sind aber auch diese Wiedergaben um so ver-
lockender, zumal sie den Originalen, die keine Farbe
haben und geringere Dimensionen, viel näher kommen,
ja hinsichtlich der Feinheiten in Strich und Ton sie
fast erreichen, wenn für sie die Lichtdrucktechnik ge-
wählt ist.

Dem aus Nancy gebürtigen Malerradierer Jacques
Callot (1592—1635), einem der bedeutendsten Zeichner
und Kupferstecher seiner Zeit, die er in seinen über-
aus mannigfachen Bildern ernster und heiterer Art

lebendig charakterisiert, ist der I. Band gewidmet.
Auf 100 Seiten wird sein Lebenslauf geschildert, seine
Technik beschrieben, seine Lehrzeit dargelegt als die
Vorstufe für seine sechs Lebensphasen (von 1615 bis
1635), die in Florenz und Nancy sich abspielen, mit
einer kurzen Unterbrechung durch Paris. Ein Kapitel
macht mit seinen „Nachahmungen und Beeinflussungen1'
wie mit der Literatur bekannt, so daß dem Forscher
wie dem Liebhaber durch die vorzüglichen Lichtdruck-
tafeln wie durch den eingehenden Text der wichtige
Meister sehr nahe gebracht ist.

Der bereits erschienene II. Band, der den Anfängen
des deutschen Kupferstichs und dem Meister E. S.
durch Max fieisberg gewidmet ist, wird hier dem-
nächst besprochen werden. G

Sittliche oder unsittliche Kunst? Eine

historische Revision von Dr. E. W. Bredt. Mit

50 Bildern. — Piper & Co. G. m. b. H. — München.

1909. Preis geh. Mk. 1,80, geb. Mk. 2,80.

Ein wichtiges, aber schwieriges, dazu durchaus aktuelles

Thema, das der Verfasser anschneidet, offenbar in

reinster Absicht und mit ernstem Ziel. In welchem

Sinne er es behandelt, verrät schon der Zusatz im Titel.

— Der Verfasser, Kunsthistoriker von Beruf, unter-
scheidet nämlich zwischen der unbefangenen Auffassung,
der die nackten Figuren im Mittelalter begegneten, und
der Prüderie, die ihnen in unseren Tagen entgegen-
gestellt werde. Zu diesem Zwecke führt er eine '.leicht
noch stark zu vermehrende) Anzahl von derartigen alten
Darstellungen an, zumeist auch abbildlich, welche die
milde Auffassung der Kirche, sogar an Kirchen-Portalen
und -Türen, beweisen soll, zugleich die Unrichtigkeit
der Behauptung, daß im Mittelalter das Nackte zur
Darstellung nur zugelassen sei, „wo es motiviert war".

— Im Anschluß daran versucht er den Nachweis, daß
die Darstellung des Nackten ein Künsllerproblem von
größter Wichtigkeit, deswegen auch von Künstlern
ersten Ranges bevorzugt sei. Wenn er hieraus folgert,
daß als sittlicher Gradmesser für die Beurteilung der
Darstellung des Künstlers innere Absicht zu gelten
habe, also ein wirkliches Kunstwerk die Unsittlichkeit
ausschließe, dann ist doch dadurch dem subjektiven
Ermessen des Künstlers ein zu großer Freibrief aus-
gestellt. Auch für den gottbegnadeten Künstler gibt
es außer seinem Empfinden und Können noch andere
im Volksbewußtsein und der Tradition gelegene
Direktiven und Grenzen, die er nicht außer Acht lassen
darf, selbst wenn er sie nicht teilen sollte. — So
sehr der Verfasser der „energischsten Unterdrückung
des Schundes" das Wort redet, für die Kunst nimmt
er vollkommene Freiheit in Anspruch, über sie das
Richteramt des modernen „Normalmenschen" be-
streitend, in Streitfragen nur„Sachverständigen-Kollegien"
zugestehend. — Von der Annahme weit verbreiteter
Prüderie bis zur Hoffnung, daß sie durch Belehrung
und Erziehung bekämpft werden könne, ist noch ein
weiter Weg, das Experiment der „Gewöhnung der
Jugend an Nacktes", zumal bei der heutigen Entartung,
sehr gefährlich. Die Beziehungen der Kunst zum
Volke sind gegenseitig, nehmend und gebend. Nicht
allein darauf kommt es an, daß der Künstler unter
 
Annotationen