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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Tepe, Alfred: Kleine Erinnerungen
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Raspe, Theodor: Ein Kelch von ungarischer Drahtschmelzarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0105

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149

1909- — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

150

Holzunterbau auf. Als die alten Städter ihre
Holzhäuser dutzend- ja stadtviertelweise in
Flammen aufgehen sahen, gingen sie zwar all-
mählich zum Steinbau über, im holländischen
Backsteinbau aber spielte das traditionelle
Holz noch immer eine große Rolle. Nicht
allein die hölzernen Ständer des Unterbaus
wurden für die Geschäftshäuser beibehalten,
auch die Fensterumrahmungen fügte man aus
kräftigen Pfosten und Stützen zusammen. Ihre
Aufstellung ging der Mauerarbeit voran, welche
sie dann fest und sorgfältig umschloß. Diese
noch jetzt übliche Art erlaubt ein viel leichteres
Mauerwerk, den Boden weniger belastend,
weniger Raum beanspruchend und weniger
kostspielig als die anderswo üblichen Mauer-
massen. Eine Mauerdicke von 11ji Stein genügt
noch für dreistöckige Häuser.

Abb. 6 steht oder stand in Nijkerk an der
Zuiderzee. Die Kreuzfenster sind von Hau-
stein, Giebelabdeckungen, Gesimse, Streifen,
Kantsteinchen ebenfalls, während dem Back-
stein in den Fensterentlastungsbogen, den
Rundnischen und den Flachmustern in den
Bogennischen eine anmutige Rolle zugeteilt
ist. Die behagliche Breite und keineswegs
himmelanstrebende Höhe bezeugen, daß in
der guten Stadt Nijkerk die Quadratmeter
keine 40 bis 50 Mark kosteten und das Giebel-

hähnchen spricht dafür, daß auch in der
Nachbarschaft keine windverwirrenden Hoch-
bauten geragt haben, wodurch es ja für seinen
vielleicht seefahrenden Aufsteller und Besitzer
nutzlos geworden wäre.

Abb. 7 und 8. In Doetinchem, einem
Städchen im „Achterhoek" der Provinz Gelder-
land findet man die älteren Backsteinfront-
mauern vielfach durch breite Nischen belebt,
welche die Fenster umrahmen wie es der alte
Rathausgiebel Nr. 7 und das Haus Nr. 8
veranschaulichen. Mehr als anderswo in den
Niederlanden findet man in diesen Gegenden,
nicht die Schmalseite mit Giebelkrönung,
sondern die Breitseite der Straße zugekehrt.

Auch diese kleinen Beispiele zeigen wieder
in verschiedenen Zeiten und Formen den Ur-
typus des nordischen Familienhauses. National
ist das Modewort unserer Zeit und Antinational
das beliebteste Kränkwort. Doch ohne Wider-
streben läßt sich die hypernationale germa-
nische Welt ihre angestammte Heimstättenidee
austreiben und in Etagenkasten zusammen-
pferchen, denen keine noch so hübsche Stil-
schürze geben kann, was ihnen, ihrem Wesen
nach fehlt und ewig fehlen wird, den nationalen
Charakter.

Düsseldorf.

AI f red Tepe.

Ein Kelch von ungarischer Drahtschmelzarbeit.

vMit Abbildung.)

nnerhalb der Klasse der Zellen-
schmelzarbeiten nimmt der sogen.
Drahtschmelz eine verhältnismäßig
untergeordnete, aber selbständigab-
geschlossene Stelle ein. Die Technik ist ent-
schieden eine Vereinfachung, in einzelnen
Gegenden sogar eine Barbarisierung der üb-
lichen Methode, durch aufgelötete, hochge-
stellte Stege die schützende Wandung der
Schmelzfarben und zugleich die Konturen des
Musters herzustellen. Nicht nur, daß das
bequemere, schnellere Auflöten des Silberdrahts
viel weniger Geschicklichkeit und Übung er-
forderte, auch die eigentliche Schmelztechnik
wurde erleichtert und beanspruchte weniger
Sorgfalt als das stetig wiederholte Einfüllen
in die Stegwandungen. Es kam ja nicht
darauf an, den Schmelz in Höhe seines
Rahmens zu bringen, um ihn nach dem letzten

Brande mit diesem zusammen zu polieren und
zu einer Fläche zu vereinigen, vielmehr verbot
der Reiz des Drahtrahmens geradezu die
Überfüllung. Um die wohltuende Gesamt-
wirkung zu erreichen, genügten schwächere
Füllungen, bis einigermaßen eine Gleichmäßig-
keit des Bodens erreicht war, gegen den sich
die hochliegenden Konturen in kräftiger Selb-
ständigkeit emporheben. Der Charakter des
Drahtschmelzes ist ein wesentlich anderer als
der des byzantinischen oder ostasiatischen
Zellenschmelzes, indem er mehr die Lebhaftig-
keit des Musters als den ruhigen, alle Farben
harmonisch bindenden Gesamtton zum Aus-
druck bringt. Die vorlaute Art der Zeichnung
bedeutet dabei aber keineswegs eine Ab-
schwächung der farbigen Wirkung, im Gegen-
teil wirken gerade die Schmelzfarben der
Drahtschmelzarbeiten durch ihren ausge-
 
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