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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Poppelreuter, Josef: Das Kölnische Philosophen-Mosaik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0159

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231

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Ni. 8.

232

Das Kölnische Philosophen - Mosaik.

(Mit Abbildung.)

ls im Jahre 1844 das Kölnische Philo-
sophen - Mosaik gefunden wurde,
übernahm alsbald L. Lersch in dem
Bonner Winckelmanns - Programm
von 1846 die Rolle des Erklärers. Zweierlei
stand für ihn fest: erstens, daß er dem Hause eines
vornehmen Mannes der römischen Gesellschaft
gegenüberstehe, zweitens, daß es notwendig sei,
die Erklärung zu dem täglichen Leben und
Treiben dieses Mannes in Verbindung zu setzen.
Es sei ein Speisesaal, meinte er, nach den Still-
leben, welche dekorativ auf den Saum gesetzt
sind, und von einem jeden der dargestellten
Geistesheroen wußte er hinterlassene Weisheits-
sprüche anzuführen, die auf kluge Mäßigung
bei den Genüssen der Tafel hinweisen.1)

Bevor wir an die Stelle dieser gutgemeinten
Erklärung eine andere setzen, wollen wir uns
die veränderten Anschauungen vergegen-
wärtigen, welche seit jener Erklärung von
Lersch ein halbes Jahrhundert archäologischer
Studien über die Entwicklung unserer Kolo-
nien zuwege gebracht hat.

Die damalige chronologische Setzung von
Lersch wird durchaus richtig sein: Severische
Zeit. Möglich ist die Entstehung auch später;
wir können im ganzen das dritte Jahrhundert
dafür ansetzen; für das zweite würden die
Formen schon etwas roh, für das vierte zu gut
sein. Die Stadt etwa der severischen und der
anschließenden Zeit ist diejenige, in welche
wir Gebäulichkeiten versetzen dürfen, die ein
solches Werk bargen. Das Köln der severischen
Zeit war in einer Entwicklung von zwei Jahr-
hunderten herangewachsen. Wie diese Stadt
sich allmählich entwickelte, das lehren noch
deutlich genug die Reste des Kunsthandwerks
aus den Gräbern, das lehren die Steine durch
Stil und inschriftlichen Inhalt. Jenes erste
habe ich dargelegt durch die Aufstellung einer
chronologischen Folge von 73 römischen
Gräbern aus Köln (Bonn. Jahrb. 114/15 p. 344 ff.);
auch das zweite ist deutlich. Durch die Zu-
schärfung der chronologischen Studien erhält
immermehr ein Satz seine Bestätigung, der
von H. Nissen in den Bonner Jahrbüchern (98
p. 159) niedergeschrieben wurde: „Es ist nach-
gerade an der Zeit, mit der aller Erfahrung

') Fernere Literatur bei Klinkenberg, »Das römische
Köln« p. 838.

Hohn sprechenden Vorstellung aufzuräumen,
als ob die Bauweise der entwickelten Kultur
des Südens im Handumdrehen am Rhein
hätte eingeführt werden können." Bei zu-
nehmender Genauigkeit der Datierungen der
Steine sieht man noch deutlich genug die
Allmählichkeit des Entwicklungsganges von
den durch militärische Ökonomiehandwerker
des früheren ersten Jahrhunderts hergestellten
Denkmälern der Soldaten im Felde zu
den vom eingewanderten südländischen Kunst-
steinmetzen für das reiche Bürgertum her-
gestellten Arbeiten der Großstadt, von den
schlichten Jurakalksteinen der früheren Zeit
zu einer im entwickelten zweiten und begin-
nenden dritten Jahrhundert eintretenden Stein-
buntheit, einer Folge der steigenden Verwen-
dung der weit im Lande erschlossenen neuen
Steinbrüche. Ein beredter Zeuge dieser fort-
geschrittenen Erschließung luxuriöseren Mate-
rials ist gerade auch unser Mosaik, welches
den lithographischen Stein, die verschiedenen
Farbenabstufungen des Trierer Sandsteins, ver-
schiedene Marmorsorten, blaue einheimische
Steine usw. mit überraschend feinem koloristi-
schem Gefühl neben den kräftigen Tönen der
Buntgläser und den Scherben der Terrasigillata
verwendet.

Um sich ferner den ganzen Entwicklungs-
gang unserer Lande in jener Zeit richtig vor-
zustellen, würde man jenen Satz Nissens weiter
ausdehnen müssen und, ihn variierend, sagen :
es ist höchste Zeit, mit der Vorstellung auf-
zuräumen, als ob hier in den Kolonien beim
Eindringen der Römer mit einem Schlage das
ganze Land in seiner agrarischen Hochent-
entwicklung fertig dagestanden habe; denn
auch der oberflächlichste Überblick über die
Fundstücke in den ländlichen Bezirken des köl-
nischen Ubierlandes nördlich, südlich und weit-
hin westlich lehrt uns, auch der landwirtschaft-
lichen Entwicklung Zeit zu lassen. Die her-
vorragendsten Reste der großen ländlichen
Besiedlungen weisen — ich erinnere nur an
das Weidener Grab — erst in jene Zeit der
Wende vom II. zum III. Jahrh. hin. Hier
ist tatsächlich an Stelle des Veteranen-
Bauernstädtchens des ersten Jahrhunderts die
Stadt getreten, welche der Sitz jener reichen
Agrippinenser mit ihren Latifundien weithin
 
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