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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Poppelreuter, Josef: Das Kölnische Philosophen-Mosaik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0160

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233

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

234

im Lande war, in deren Gräbern die besten
Exempel dessen gefunden werden, was die
koloniale Stadt nach Ausweis der parallelen
Gräber in den Nekropolen an Kunstluxus
bieten konnte.

Hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte
so das Entwicklungsbild der Bautätigkeit
und der Industrie verdeutlicht, so hat sich
durch die Betrachtungsweise der allerjüngsten
Jahre auch das Gesellschaftsbild des römi-
schen Köln erheblich verändert.

Georg Loeschcke ging voran darin, für
unsere Lande den Zusammenhang mit den
Griechen am Mittelmeer zu suchen. Joseph
Strzygowski hat sogar betonen wollen, der
Orient sei in Köln mächtiger gewesen als alle
anderen Elemente (Jahrb. der Königl. preuß.
Kunstsamml. 1904 p. 233). Wie dem letzteren
auch sei; daß wir unsern Blick im allgemeinen
gen Osten richten müssen, ist sicher. Die
Vermehrung der Funde hat dies bestätigt,
und niemand wird sich mehr wundern, daß
die Philosophen unseres Mosaiks nicht mit
lateinischen, sondern mit griechischen Unter-
schriften versehen sind. Ein gütiges Geschick
hat uns noch vor wenigen Jahren mit dem
Fund der Inschrift kleinasiatischer und alexan-
drinischer Griechen in Köln einen deutlichen
Fingerzeig gegeben. Ich wiederhole die In-
schrift hier noch einmal:

Memoriae-\ Ruphi • naiione • Greco-\ Mylasei
choraulae \ quivixitannos \ XVI. Dionysius-\As-
clepiades-nali \ one- Alexandri \ nus-parens•item-\
Athenern• benem(e)renli- desu(o.)

Eine ganze Gesellschaft von Griechen in
Köln!

Mit Macht aber weisen nun die Funde
und gerade diejenigen des höchsten künst-
lerischen Glanzes, soweit wir in den Kolonien
und in den spätantiken Zeiten hiervon über-
haupt sprechen dürfen, auf ein auderes hin:
auf die Christen in Köln. Daß gerade die
wertvollsten und kostspieligsten Funde aus dem
römischen Köln eben diesen zufallen, mahnt
uns, ihnen in dem Gesellschaftsbild eine be-
deutende Stellung einzuräumen, und die für
die Zeit um 200 n. Chr. in der Literatur be-
zeugten Christengemeinden in Germanien nicht
für eine verlassene Gemeinschaft einiger Ver-
lorenen, sondern für die Gemeinschaft materiell
Wohlsituierter und auch Hochgebildeter anzu-
sehen. Jenen schönen, altchristlichen Glas-

gefäßen, welche aus kölnischen Privatsamm-
lungen im Laufe des XIX. Jahrh. ins Ausland
wanderten, brauchen wir nicht mehr wie un-
ersetzlichen Stücken nachzutrauern, nachdem
uns unlängst ein viel kostbareres aus dem
kölnischen Boden hervorgekommen ist.2) Es
übertrifft dieses, in einer ländlichen Ansiedlung
in der Nähe der Stadt, im Grabe eines jener
Großgrundbesitzer gefundene Stück an Wert
bei weitem das früher im Stadtbereich an
St. Ursula gefundene.8)

Wie nahe liegt es aber, diese Christen-
gemeinden in Verbindung zu setzen mit den
eingewanderten Griechen, den Trägern des
Evangeliums ! Aus den alten Bildungsstätten
am Mittelmeer versetzen wir uns mit einem
Schlage in unsere geographische Nähe, wenn
wir einer der hervorstechendsten Gestalten
der Kirche des ausgehenden II. Jahrh.,
wenn wir des Irenäus gedenken, des klein-
asiatischen Griechen, der sich entschlossen
hatte, seinen Sitz in der gallischen Stadt Lyon
zu nehmen, von wo aus er in unausgesetztem
Verkehr mit den kleinasiatischen Gemeinden
blieb. Der Kirchenschriftsteller weilte in Lyon,
dem Schauplatz des alljährlichen Gaufestes der
kolonialen Stämme, von wo er seine Verbin-
dungen in alle Gegenden Galliens und Ger-
maniens leichter knüpfen konnte. Das Über-
siedeln solcher Männer wie Irenäus in unsere
Lande war selbstverständlich begründet in
direkten Missionsbestrebungen, welche eine
Bekehrung der Eingeborenen zum Gegen-
stande hatten, dabei aber gleichzeitig auch
mit den hochgebildeten und den wohlhaben-
den eingewanderten Elementen rechneten.
Irenäus ist es, welcher das viel zitierte Wort
von den iv riq^iuvlatg iÖQvfiivat exxkijaiui,
hinterlassen hat. Ich habe in der oben erwähnten
eingehenden chronologischen Prüfung der
Kölner Grabfunde darauf hingewiesen, daß uns
etwa um das Jahr 180 nach Christo diese Tra-
dition in keiner Weise zu wundern braucht.
Es ist, nebenbei bemerkt, grade jene zeitliche
Grenze, welche Harnack (Mission S. 224) für
das lichtscheue und das öffentliche Christentum
ansetzt. Irenäus ist bekanntlich eine der her-
vorstechendsten Erscheinungen aus dem hohen
christlichen Geistesleben jener Zeit; seine
antihäretischen Schriften streifen die Fragen

2) S. diese Zeitschr. 1908 Nr. 3.
8} S. Bonn Jahrb. 42 Taf. V.
 
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