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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Witte, Fritz: Reliquiar aus Messing im Germanischen Nationalmuseum
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Killermann, Sebastian: Die Blume der sog. "Madonna mit der Wickenblüte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0205

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30!)

mop.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Ni. 10.

306

lösend. Maria und Johannes stehen klagend
unter dem Kreuze, Johannes faßt in seinem
Schmerze mit der Rechten an den Kopf, Maria
greift mit verhüllten Händen nach dem Leich-
nam ihres Sohnes. Die vier Figuren stehen
auf einem astartigen Auswuchs, der am Fuß-
ende des Kreuzes nach beiden Seiten sich
ausstreckt. Wahrscheinlich diente das Reliquiar
zur Aufnahme irgend einer mittelbar, zum
Grabe Christi in Beziehung stehenden Reliquie.
Der Deckelaufsatz läuft in Scharnieren und
scheint nach dem starken Verschleiß der
Scharnierläufe sehr oft geöffnet und geschlossen
worden zu sein. Die Truhe ist 13,5 cm lang
und 6,2 cm breit, die Höhe des ganzen Reli-
quiares beträgt 23 cm.

Die klavengeschmückten Gewänder der
Gottesmutter und des Johannes scheinen auf
byzantinische Vorbilder hinzuweisen, sonst aber
ist die Arbeit urdeutsch, erinnert in Einzel-
heiten, vorerst in der Behandlung der Köpfe,
noch stark an die Bronzen usf. der Bernward-
schule. Trotzdem möchte ich mit Rücksicht auf
das Kostüm und die Bewaffnung der schlafenden
Krieger das Stück ins XII. Jahrh. versetzen.

Das Reliquiar scheint mir von großer Be-
deutung zu sein für die Zuweisung vieler
Metallarbeiten der romanischen Epoche an
eine bestimmte Schule. Wir werden demnächst
bei Besprechung eines Altarkreuzes näher
darauf eingehen, machen aber auf ein Gegen-
stück des hier abgebildeten Kästchens im
S. Kensington Museum aufmerksam, auf das
uns Herr Direktor Dr. Creutz, Köln, hinwies,
das fast genau dieselbe Anlage, aber eine viel
reichere und sorgfältigere Durcharbeitung der
Details aufweist. Die bei beiden wieder-
kehrende Darstellung der Kreuzabnahme ist
ein bedeutsamer Typus norddeutscher Kunst
und zeigt unabweisbare verwandtschaftliche
Beziehungen zu der Kreuzabnahme an den
Externsteinen, die durch die beiden Reli-
quiare und später heranzuziehende andere
Arbeiten in ein anderes, vielleicht neues
Licht hineingerückt und zu einer Kunstschule
in Beziehung gesetzt werden kann, die weit
größere Beachtung verdient, als ihr bislang
zuteil geworden ist.

Berlin.

Fritz Witte.

Die Blume der sog. „Madonna mit der Wickenblüte".

ju dem Streite, der jetzt um das
köstliche Kleinod der alten Kölner
Kunst tobt und immer weitere
Kreise ergreift, möge es einem
erlaubt sein, einige Worte zu

Botaniker
sprechen.

Die Kunstkenner scheinen sich über die
Natur der Pflanze, welche die Madonna in der
Hand hält und nach der das Bild immer
benannt wird, nicht ganz klar zu sein. Wenn
ich mich recht erinnere, hat das Bild im
Kölner Museum die Unterschrift „Madonna
mit der Bohnenblüte". Auch Woermann (Die
Kunst aller Zeiten und Völker, Leipzig 1905,
II. Bd. S. 325) heißt es so. Neuere Kunst-
gelehrte, wie P. A. Kuhn und jene Herren,
die in dem Streite das Wort ergriffen, Prof.
Voll, Ed. Firmenich-Richartz, Poppelreuter
(s. diese Zeitschrift XXI. Jahrg. 1908 S. 346)
sprechen von der „Madonna mit der Wicken-
blüte". Das ähnliche im Nürnberger Ger-
manischen Nationalmuseum hängende Bild
nennen sie die „Madonna mit der Erbsen-
blüte", während der Katalog desselben Museums

(1908/09 S. 181) es als „Madonna mit der
Bohnenblüte" aufführt.

Welcheder Bezeichnungenistnun, wenigstens
vom botanischen Standpunkte aus, die richtige?
Die Blume, welche auf beiden Bildern in
den Händen der Madonna oder des Jesu-
kindes erscheint, ist in beiden Fällen weder
eine Wicke, noch eine Bohne, sondern eine
Erbse. Die Bezeichnung „Madonna mit der
Erbsenblüte" wäre also die beste.

Die drei genannten Pflanzen gehören zu
einer Familie, zu den Schmetterlingsblütlern
(Papilionaceen); sie ähneln infolgedessen be-
sonders bezüglich der Blüten- und Frucht-
bildung gar sehr und können verwechselt
werden. Aber sonst unterscheiden ,sie sich
bedeutend. So ist die Bohne (Phaseolus) eine
Windepflanze, welche an Stützen dadurch
emporsteigt, daß sie sie fest umwindet; die
beiden anderen, Wicke (Vicia) und Erbse
(Pisum), sind Rankenkletterer, die mittels der
am Ende der Blätter befindlichen Ranken
in die Höhe klimmen. Auch hat die Bohne
dreizählige, etwas kleeähnliche Blätter, Wicke
 
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