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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Killermann, Sebastian: Die Blume der sog. "Madonna mit der Wickenblüte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0206

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 10.

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und Erbse besitzen dagegen gefiederte. Hierin
unterscheiden sich aber wieder die beiden
letzteren dadurch, daß die Blätter bei der
Wicke vielpaarig und mit kleinen Neben-
blättern versehen sind, während sie bei der
Erbse nur zwei bis drei gegenständige Fieder-
joche, dafür am Grunde große, laubige Neben-
blätter besitzen, welche den Stengel halb um-
fassen. Außerdem besteht noch ein Unter-
schied in der Anordnung der Blüten, indem
dieselben bei der Erbse in langgestielten,
wenigblütigen Trauben, meist nur zu zweien,
bei der Wicke dagegen in ebensolchen, aber
reichblütigen Trauben stehen oder, wenn das
nicht der Fall ist, sehr kurz gestielt sind.

Danach ist die Blume der Kölner Madonna
ohne Zweifel eine Erbse. Wir sehen da
(vgl. die schöne Reproduktion der Blume in
Seemanns Zeitschrift für bildende Kunst, XX,
44. Jahrg. 1909, Heft 12, Abb. 2) einen Stengel
mit zwei Blattpaaren, einem Seitenzweig, an
dem zwei Hülsen hängen, einem darüber-
liegenden gefiederten Blatt und zwei Blüten,
die auf sich kreuzenden Stielen befestigt sind.
Die genannten Blattpaare bestehen aus ei-
runden, schwach gezähnten Blättern; die
unteren werden von den Fingern dütenförmig
zusammengedrückt, die oberen liegen flacher.
Sie sind beide Nebenblätter. Zwischen den
ersteren entspringt der Seitenzweig mit den
beiden Hülsen, die sehr naturgetreu gemalt
sind; sieht man doch deutlich die inliegenden
Samen! Das eigentliche Blatt, das aus dem
Winkel zwischen den beiden Nebenblättern
kommt, setzt sich richtig aus drei Paaren von
länglichen Blättchen zusammen; ob es am
Ende in eine Ranke oder nur in eine kurze
und stumpfe Spitze ausläuft, ist mir jetzt nicht
mehr in Erinnerung, nach der oben genannten
und anderen Photographien des Bildes fehlt
die Ranke. An den Blumen, von denen sich
die eine in der vorderen, die andere in der
seitlichen Ansicht präsentiert, bewundern wir
die gute Wiedergabe der einzelnen Teile, die
deutlich sichtbar sind. Die sog. Flügel der
Blumen sind dunkler (rosenrot) gehalten als
die Fahne, das Schiffchen oder der Kiel, der
zwischen den Flügeln erscheint, ist weiß.

Auf dem oben erwähnten Nürnberger
Bilde finden wir die Darstellung der Erbse in
ähnlicher Weise, wo möglich noch besser; denn
es ist auch die Ranke des dreifiederigen
Blattes deutlich gezeichnet. Die Nebenblätter

scheinen etwas länglicher zu sein. Was die
Blütenfarbe betrifft, so sind die Blumenblätter
teils rosa mit weißem Rande, teils bläulich
gefärbt. Ein grüner Fleck deutet den Kelch
an, wenigstens bei der größeren Blüte, die,
wie es scheint, von der hinteren Ansicht auf-
genommen worden ist. Die zwei anderen
auf diesem Bilde sichtbaren Blumen bieten
sich mehr von der Seite dar.

Es gibt von der Erbse, die eine alte Kultur-
pflanze ist, gegen 100 Spielarten. Die zwei
Hauptformen, welche man jetzt allgemein an-
nimmt, heißen Stock- oder Ackererbse (Pisum
arvense L.) und Gartenerbse (P. sativum L.).
Abgesehen von den Samen, die bei diesen
Arten verschieden sind und nicht verwechselt
werden können, besteht noch ein Unterschied
in der Blütenfarbe. Die Ackererbse hat näm-
lich bunte Blumen: die Fahne ist violett, die
Flügel sind purpurn, das Schiffchen weiß. Die
Gartenerbse besitzt dagegen weiße Blumen,
aber auch solche mit rosenroten Flügeln.
Meiner unmaßgebenden Ansicht nach hat die
Nürnberger Madonna die bunte Ackererbse,
die Kölner Madonna die Gartenerbse in der
Hand.

Die Bohne, Erbse und Wicke haben ihre
Geschichte. Unsere Gartenbohne (Phaseolus
vulgaris L.) ist nach den bekannten Forschungen
Wittmacks und, wie wir aus den großen
botanischen Werken des XVI. Jahrhunderts er-
sehen können, aus Amerika bei uns eingeführt
worden; sie kann also unmöglich auf Bildern
des XV. Jahrhunderts vorkommen und findet
sich auch nicht darauf. Erbse und Wicke
sind dagegen in der alten Welt einheimisch,
wenn man auch das Vaterland besonders von
der ersteren nicht kennt. Die mittelalterlichen
Quellen erwähnen beide Gewächse öfters, von
der Wicke vornehmlich die große Art, welche
als Pferde- oder Saubohnen (Vicia faba L.)
weit bekannt ist und, wie ihr Name sagt, als
Viehfutter dient. Von der Erbse sagt Albertus
Magnus (de vegetabilibus liber VI, 229 und
VII, 131), daß sie in Gärten und Feldern ge-
baut werde und als Mittelgericht auf den
Tisch gelange. Ebenso lobt sie auch L. Fuchs,
der Verfasser des schönen Kräuterbuches von
1543, und bildet sie prächtig ab, wobei er aber
die weißblumige Form als Ackererbse, die
bunte als Gartenerbse betrachten möchte.
Von der Wicke und zwar von der besseren,
der Saatwicke, behauptet er, daß sie „gantz
 
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