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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Killermann, Sebastian: Die Blume der sog. "Madonna mit der Wickenblüte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0207

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309

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUiNST — Nr. 10.

310

unlieblich zu essen vnnd hart dewig", d. h. zu
verdauen sei (New Kräuterbuch, Basel 1543,
cap. 60).

In der Kunst wurde die Erbse nicht selten
und zwar meist um die Wende des XV. Jahr-
hunderts und vorher zur Darstellung gebracht.
Von vollendeter Naturlreue ist z. B. das Erbsen-
motiv, das der Künstler des Gebetbuches
Renes IL von Lothringen (1473-1508), das
sich in Paris (Bibliotheque nationale, Lat. 10 532)
befindet, zur Umrahmung eines Madonnen-
bildes verwendete (s. Abb. bei Woltmann,
Geschichte der Malerei, Leipzig 1881, IL Bd.
S. 82). Es fehlen wohl die Blumen und sind
nur die Blätter und Früchte, die Hülsen
zeichnerisch verwertet (von Woltmann un-
richtig als Schoten bezeichnet), aber die Auf-
fassung ist einzigartig. Herrliche Darstellungen
der Erbse bieten manche Miniaturen-Gebet-
bücher, so das Breviarium Grimani in Venedig
und das eine der beiden sog. „niederländischen
Gebetbücher" im Münchener Nationalmuseum.
Der Wicke, die doch eine ganz ordinäre
Pflanze war, begegnen wir nicht, höchstens
einigemale in letzteren Werken der Pferde-
bohne. Die eigentliche Bohne erscheint zu-
erst in der Kunst in dem wundervollen,
durch botanische Genauigkeit ausgezeichneten
Blumen-Gebetbuche Albrechts V. von Bayern
(München, k. Staats- und Hofbibliothek, Cod.
lat. 23 640) um 1574.

Die Erbse, welche im XV. Jahrhundert an
Stelle der Bohne als Gemüsepflanze kultiviert
wurde, stand gewiß bei der Frauenwelt in
hoher Achtung. Nicht ohne Grund erblicken
wir gerade sie in den Händen der Madonna
und in den ihr gewidmeten Gebetbüchern.
Später freilich verschwindet sie wieder, als
andere Pflanzen, besonders Zierpflanzen, wie
die Nelken in Deutschland Mode wurden.
Soweit ich die Sache verfolgen kann, existieren
nur drei Tafelbilder, auf denen die Erbsen-
blüte erscheint; es sind die Nürnberger, Kölner
und Darmstädter Madonna, die alle drei
bisher Meister Wilhelm von Köln zugeschrieben
worden sind.

Eine besondere allegorische Beziehung der
Erbsenblüte zum Marienleben, wie sie bekannt-
lich vielen anderen Blumen zugeschrieben wird,
scheint nicht bestanden zu haben. Nach
Konrad von Magenberg, der als Dom-

herr von Regensburg um 1337 das erste „Buch
der Natur" in deutscher Sprache verfaßte,
erzeugt der Genuß von (Kicher-) Erbsen eine
schöne Hautfarbe, erregt aber auch in hohem
Grade die Unkeuschheit.

Wie ich schon dargelegt habe, dünkt mir
die Pflanze, welche die Nürnberger Madonna
und das Jesukind in den Händen halten, als
die gelungenste und ursprüngliche Darstellung,
da alle Teile des Blütenzweiges gleichmäßig
gut und naturgetreu ausgeführt sind. Beim
Kölner Bilde mögen durch eine spätere Hand
einzelne Teile verschlechtert worden sein;
daß es eine ganz neue Schöpfung wäre, möchte
ich, wenigstens in Betrachtung des Beiwerkes,
nicht recht glauben; warum hätte der Künstler
um 1810 gerade zur Erbse gegriffen und nicht
eher zur Bohne, die doch in Gärten heut-
zutage viel mehr gehegt wird als die Erbse?
Hätte er dann wohl eine Blume mit solcher
Naturtreue gemalt, wie wir es selbst vom
Kölner Bilde rühmen müssen ? Bekanntlich
ist die alte Kunst der späteren und modernen
in dieser Beziehung weit voraus. Blicken wir
nur auf die Darmstädter Madonna, die von
Philipp Veit restauriert und ergänzt wurde;
„auch die Feldblumen auf ihr", Sagt Firmenich-
I Richartz, „sind in ihrer heutigen Gestalt
! moderne Zutat". Er hat Recht; wenn wir
eine Abbildung (s. Monatshefte für Kunst-
wissenschaft IL Jahrg., 1909, Heft 8 u. 9, Abb. 2)
betrachten, so fällt uns sofort ein herzförmiges
Blättchen auf, das neben dem Erbsenstengel
! erscheint und zu dieser Pflanze gar nicht
I paßt. Der Restaurator dürfte sie eben nicht
recht verstanden haben.

Möge diese Betrachtung eines Botanikers
in kunstwissenschaftlichen Kreisen nicht un-
gütig aufgenommen werden! Wenn es sich
auch nur um eine Nebensache, eine Kleinigkeit
handelt, so ist sie doch bei so kostbaren
Werken aller Beachtung wert und kann unter
Umständen ein gutes und sicheres Kriterium
für deren Echtheit abgeben. Um das Ganze
nochmals zusammenzufassen — ich halte die
Blume der Kölner Madonna für eine Erbsen-
blüle, wie die der Nürnberger, und wage auch
gerade auf Grund dieser Tatsache die Be-
hauptung auszusprechen, daß das Bild in der
Hauptsache echt ist.

Regensburg.

Prof. Dr. Seh. Ki 1 ler man n.
 
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