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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Braun, Joseph: Ein Bilderpluviale im Dom zu Salzburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0020

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 1

12

Ein Bilderpluviale im Dom zu Salzburg.

(Mit 3 Allbildungen.)

I~gJCT ;er Dom zu Salzburg besitzt außer
B& 11 dem bekannten Antependium noch
XyA \ eine zweite sehr hervorragende
' mittelalterliche Stickerei, die aber
in den Kreisen der Kunsthistoriker und Archäo-
logen bisher unbemerkt blieb und auch zu
meiner Kenntnis erst bei meiner jüngsten
Anwesenheit zu Salzburg kam. Und doch ist
sie kaum weniger interessant und beachtens-
wert als jenes so kostbare Antependium. Sie
hat die Form eines Kreisabschnittes, mißt in
der Länge 2,69 m, in der Höhe 1,17 m und
besteht aus zwei in der Mitte zusammen-
genähten Stücken von fast gleicher Größe und
Form. Der Fond der Stickerei wird von
abgehefteten Goldfäden gebildet. Die Ab-
heftstiche sind in den Stickgrund, ein kräftiges,
derbes Leinen, so tief hineingezogen, daß
sie für das Auge verschwinden und der Gold-
fond das Aussehen eines Gewebes erhalten
hat; eine Technik, die bei Goldstickereien
bis tief ins XIV. Jahrh. bevorzugt wurde,
namentlich, wo man große Flächen mit Gold
abzudecken hatte. Die Musterung besteht in
Weinranken, die von der Geradseite der
Stickerei ihren Ausgang nehmen, und parallel
zu einander bis zur Peripherie verlaufen. Im
ganzen sind es acht solcher Ranken. Ihre
Bewegungsrichtung ist auf den beiden Qua-
dranten entgegengesetzt. Während sie sich
auf dem linken zuerst nach rechts wenden,
beginnen sie auf dem rechten mit der Richtung
von rechts nach links. Die medaillonartigen
Voluten, welche sie auf ihrem Lauf bilden,
sind zu horizontalen Reihen angeordnet. Die
stehenden Einzelfiguren, welche die Voluten
umschließen, sind bei den beiden mittleren
Ranken senkrecht gestellt, bei den übrigen
aber liegen sie mehr oder weniger schräg zu
deren Achse. Die Figuren stellen Ahnen des
Herrn dar. Vier sind nicht näher bestimmbar,
weil das Spruchband, auf dem ihr Name stand,
nicht mehr vorhanden ist. Die Verteilung
der Darstellungen über die Stickerei ist folgende.
1. Reihe: Zorobabel, Salathiel, Eleazar, unbest.,
unbest., unbest., unbest, Jakob; 2. Reihe:
Abiud, Eliakim, Achim, Mathan, Josaphat,
Achaz, Amon, Josias; 3. Reihe: Azor, Ehud,
Obed, Abias, Joatham, Manasses; 1. Reihe
Sailok, Joseph, Joiam, Jakob.

Der Jakob der ersten Reihe ist als PATR
(iarcha) bezeichnet, Obed und Abias, Pendants
in der Mitte der Stickerei, sind REX ge-
nannt, die übrigen führen neben ihrem Namen
den Zusatz PRO (pheta). Eine bestimmte
Ordnung in der Anordnung der Figuren ist
nicht beachtet. Entnommen sind sie den
beiden letzten Folgen der Genealogie des
Evangelisten Matthäus. Aus der ersten sind nur
Jakob und Obed vertreten. Vielleicht indessen,
daß von den vier nicht mehr bestimmbaren
Figuren, von denen eine ein Szepter hält, ihr
ebenfalls noch die eine oder andere angehörte.
Alle tragen eine bis auf die Füße reichende
Tunika. Das Obergewand besteht bei Amon,
Mathan, Obed und Abias aus einem kappa-
artigen, mit Hermelin gefütterten, bei den
beiden ersten obendrein mit einem Hermelin-
kragen versehenen Mantel; die übrigen haben
als Oberkleid das traditionelle Pallium, das aber
auch bei einigen Figuren Pelzfutter aufweist.
Der Kopf entbehrt fast bei allen einer Bedeckung.
Obed hat eine Krone, Joseph und Joram sind
durch ein Birett ausgezeichnet; Sadok hat das
Pallium über den Kopf gezogen. Ausgeführt
sind die Figuren im Modellierstich.

In der Farbengebung herrscht grün und
rot vor. Die Blätter zeigen entweder zwei
Töne Grün, oder zwei Töne Rot, die Trauben
einen Ton Grün oder Rot. In den Kleidern
sind drei Töne Grün und Rot zur Verwendung
gekommen. Die Ranken sind braun. Die
Farben sind übrigens sehr verblichen, die
Stickerei der Gesichter und der übrigen Fleisch-
teile ist fast ganz verschwunden. Was man
jetzt davon sieht, ist fast lediglich die Vor-
zeichnung. Ähnlich verhält es sich mit den
Spruchbändern und dem Hermelinbesatz der
Kleider. Die sehr sorgfältig gearbeitete Vor-
zeichnung ist bis ins kleinste genau in Grau
und Braunrot ausgeführt, ein Kunstwerk für sich.

Die Stickerei ist, was kaum noch gesagt
zu werden brauchte, der Überrest eines litur-
gischen Gewandes, da ein anderes Parament
nicht in Frage kommen kann, und zwar eines
Pluviales. Die Rekonstruktion desselben ist
indessen nicht so einfach, wie es auf den ersten
Blick scheinen könnte, und es genügt zur ihr
keineswegs, die jetzt halbierten Medaillons
an der Geradseite zu ergänzen und dann ein
 
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