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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Georg, Johann: Eine byzantinische Mariendarstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0241

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355

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

356

Eine byzantinische Mariendarstellung'.

(Mit Abbildung.)

n der byzantinischen Abteilung des
Museums in Athen fand ich ein
Bild, darstellend Maria mit einem
Kruzifix in der Hand. Als ich
das Bild zuerst sah, dachte ich, es sei eine
andere Heilige. Aber bei näherem Betrachten
war kein Zweifel möglich. Nicht bloß der
Typus, den die byzantinische Kunst Maria
immer gibt, sprach dafür, sondern auch die
Inschrift MP&v.

Ein zweitessolches,
leider nicht in sehr
gutem Zustand, be-
findet sich in der
kleinen Kapelle, die
an die griechische
Kirche in Cattaro
angebaut ist, hinter der
Ikonostase. Es ist ge-
nau dieselbe Darstel-
lung wie das in Athen.
Ein drittes, in meinem
Besitz befindliches,
stammt von einem
Antiquar in Rom. Es
ist von den dreien am
besten erhalten. Nach
einer Photographie,
diemirProfessorDörp-
feld von denjenigen
in Athen hat anfertigen
lassen, stimmt es mit
diesem ganz überein.
Nur die Inschrift fehlt.
(Siehe Abbildung.)

Maria hält in der rechten Hand das Kreuz
unten, mit der linken über den Querbalken.
Im Nimbus Christi steht (j'mv. Er trägt keine
Dornenkrone und ist nur mit drei Nägeln be-
festigt. Maria hat unter dem Schleier die
kleine Haube, die sich oft auf byzantinischen
Bildern findet. Gewand und Schleier sind rot.
Der Hintergrund gemahnt etwas an Augsburger
Goldschmiedearbeiten des XVII. Jahrh.

Wie und wo ist diese Darstellung entstanden ?
Zunächst hat Maria nicht ein Kruzifix im
heutigen Sinn in Händen. Man ist eher ver-
sucht, an einen kleinen lebenden Christus zu
denken, dessen Leiden sie betrachtet. Deutlich

ist eine Träne in ihrem Auge zu erkennen-
Es ist also eine besondere Art der Mater
Dolorosa.

Es scheint mir nicht, daß diese Darstellung
im eigentlichen Orient entstanden ist. Auch
die drei Nägel am Kreuz sprechen nicht dafür.
Denn im Orient sind immer vier Nägel und
das Suppedaneum beibehalten worden.

In den Kirchen des griechischen Ostens
habe ich sie nicht ge-
funden. Unter den
Darstellungen Maria,
die im Malerbuch vom
Berg Athos erwähnt
werden, wird keins
genannt, das auch
nur entfernt daran
erinnern könnte.

Die Darstellungen
scheinen im späten
Mittelalter, wenn nicht
erst im Beginn der
neueren Zeit, ent-
standen zu sein. Das
meinige scheint nicht
älter als XVII. Jahrh.
zu sein, dasjenige in
Athen vielleicht älter.
Alles weist mehr
auf Italien. Und da
möchte ich speziell
an Venedig denken,
das entschieden in
den späteren Zeiten
der byzantinischen
Kunst viele Ikonen nach dem Orient, speziell
nach dem von ihm beherrschten Teil des-
selben, ausgeführt hat. Ich vermute fast, daß
dort eine Art von Fabrik von solchen Ikonen
bestanden hat.

Vielleicht geht es sogar auf ein abend-
ländisches Vorbild zurück, das nur ins Byzan-
tinische übersetzt worden ist. Beispiele dafür
bieten eine Madonna mit dem heiligen Fran-
ziskus im Museum von Athen und ein heiliger
Antonius von Padua mit dem Jesuskind, von
dem ich ein Exemplar besitze.

Dresden. Johann Georg,

Herzog zu Sachsen.
 
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