Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Fünf spätgotische Devotionskreuze aus Metall - Rückseiten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0240

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abhandlungen.

Fünf spätgotische Devotionskreuzehen
aus Metall. - Rückseiten.

(Mit 5 Abbildungen. — Tafel XIII.)

on den im vorigen Hefte abgebil-
deten und beschriebenen Kreuz-
chen sind hier die Rückseiten
wiedergegeben, die besondere
Berücksichtigung verdienen, wie es auch bei
den Kehrseiten der Vortragkreuze der Fall zu
sein pflegt, mit ihren nicht selten künstlerisch
hervorragenden und ikonographisch wichtigen,
zumeist gravierten Verzierungen.

1. hat auf dem Kreuzmittel einen Berg-
kristall- Cabochon in ausgezackter, von einem
Perlstäbchen umgebenen Fassung. Diese zirka
1 '/j cm betragende Ausladung erforderte auf
den Endigungen der Kreuzbalken besonders
kräftige Gravuren; sie stellen unten den
hl. Evangelisten Johannes dar mit der Feder
in der Rechten und mit dem Adler zu
seiner Linken, links den hl. Petrus mit dem
geschlossenen Buche in der Rechten, den
Schlüssel in der Linken, rechts den hl. Paulus
mit dem geschlossenen Buche in der Linken,
dem Schwerte in der Rechten, oben das
segnende Brustbild mit dem geöffneten Buche
in der Linken und mit der segnend aus-
gestreckten Rechten, die auf den Weltheiland
schließen lassen, obwohl das Haupt bärtig ist
und der Kreuznimbus fehlt. Während diese
Brustbilder durch ihren Faltenwurf den Stil-
formen um 1450 entsprechen, haben die von
ihnen zur Mitte schweifenden schwach gra-
vierten Blattranken spätgotisches Gepräge.

2. hat in den Vierpässen der Ecken sehr
gut gezeichnetes, flach und reich graviertes,
ineinandergeschlungenes Blatt- und Ranken-
werk, welches bereits Anklänge an die Renais-
sance zeigt. Noch etwas entwickelter, aber
technisch ganz gleich behandelt sind die Blatt-
ranken einer in eine Blume auslaufenden
Staude, von der die mit ihr aus einem Blüten-
kelche herauswachsenden Schneckenranken ab-
zweigen, um das Kreuz zu schmücken, das,
im Silber belassen, die zur Verschließung der
Reliquien bestimmte Öffnung schließen soll. Die
dichte und doch durchaus klare Dekoration ver-
leiht, zumal mit dem Wechsel von Gold und Silber,
dieser Rückseite einen eigentümlichen Reiz.

3. ist wie der Anordnung, so der Aus-
führung nach, der Vorderseite fast noch über-
legen. Den Mittelpunkt bildet die schlanke
Gestalt der Gottesmutter, die mit ihrer reich-
gezackten Krone bis an den oberen, mit ihrem
flüssigen, bauschig aufstoßenden Gewand bis
an den unteren Paß heranreichend und durch
je einen Rankenzipfel mit den Seitenpässen
verbunden, eine Art von Kreuzgestaltung ge-
winnt, von dem Engel zu ihren Füßen durch
das Ave Maria auf dem Spruch bände die
Huldigung empfangend.

4. zeigt in trefflicher Anordnung 6 überaus
fein gestochene spätgotische Figuren, die in
den Linien wie in den zumeist kreuzschraf-
fierten Schatten eine sehr zarte und geschickte
Hand verraten. — Den Vierpaß des Kreuz-
mittels füllt die auf der Mondsichel thronende
Madonna, die von den sitzenden Gestalten
der Apostel Simon (mit der Säge), und Judas
Thaddaeus (mit der Keule) flankiert wird.
Diesen beiden Vierpässen entsprechen der
untere mit der ebenfalls sitzenden Gestalt der
hl. Agnes und der obere mit der Standfigur
der hl. Katharina, während in ein längliches
Oval zur Füllung des Längsbalkens die stehende
Figur eines hl. Diakons mit Buch (Stephanus?)
gefaßt ist.

5. zeigt als plastischen Schmuck des Längs-
balkens das vergoldete Flachrelief der reich-
geschmückten Gottesmutter mit der Doppel-
kroneauf dem Haupte und der mondbekrönten,
also auf Konstantinopel hinweisenden Büste
zu ihren Füßen; ein geflügelter Engelkopf
dient als Konsole. Die beiden adorierenden
Engelbüstchen auf dem Querbalken sind nieliiert,
ebenso die beiden langgezogenen, wie die
beiden breitentwickelten (durch griechische
Monogramme markierten) Evangelisten auf den
Vierpässen, die dementsprechend als Brust-
bilder den Längsbalken, als Kniestücke den
Querbalken abschließen. — Die Rückseite
zeigt, im Unterschiede von der schematischen
Vorderseite (deren Kruzifixus wie Evangelisten-
bilder von dem herkömmlichen spätgotischen
Typus kaum abweichen,) eine mehr individuelle
(an galizische Formen erinnernde) Behandlung,
welche auf die Entstehung des Ganzen im
XVII. Jahrh. unter dem Einflüsse des Barocks«
schließen läßt. Schnütgen.
 
Annotationen