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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Goldschmidt, Adolph: Die "Elfenbeinschnitzerei"
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0110

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159

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. — Nr. 5.

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dort deuten. Andrerseits aber stimmt die
Szene vollkommen überein mit solchen der
Himmelfahrt Christi. Sie steht etwa in der
Mitte zwischen zwei Elfenbeinreliefs des Kaiser-
Friedrich-Museums in Berlin (Katalog Nr. 41
und Nr. 32). Auf dem ersteren steigt Christus
gleichfalls vom Rücken gesehen zum Himmel
empor, mit ebenso lang auf den Rücken herab-
fallenden Haaren, die wohl die Hauplveran-
lassung gewesen sind, in der Gestalt des frag-
lichen Reliefs eine Frau zu erblicken, wogegen
außerdem die Art spricht, wie der Mantel
umgeschlagen ist. Von dem Berliner Relief
abweichend ist das Schweben Christi gegen-

über dem Steigen, die frei bewegte Anordnung
der Apostel gegenüber den symmetrischen
Gruppen. Dieselben Abweichungen aber teilt
das zweitgenannte Relief in Berlin Nr. 32,
das eben die bewegte Zuschauergruppe auf-
weist als charakteristischen Faktor einer größeren
Gruppe von Auferstehungsreliefs — So ist das
publizierte Stück ein Zwischenglied zwischen
jenen beiden und man gelangt durch Ver-
gleichung mit ihnen zur Vermutung, das es
etwa um das Jahr 1000 oder etwas früher
in der Gegend des Niederrheins oder der
Maas entstanden ist.

Halle. Adolph Goldschmidt.

Bücherschau.

D ie Wandmalereien von Prof. Lud wig Sei tz
in der deutschen Kapelle der Basilika
zu Loreto, beschrieben von Msgr. Giovanni M11 a-
nese. Mit dem Bilde und einer kurzen Lebens-
skizze des Künstlers, 48 Illustrationen im Text und
2 Einschaltbildern. — Benziger & Co. (Pr. Mk. 6,20).
Die im Anschluß an die 600 jährige Jubelfeier
bewirkte Ausmalung der großen Chorkapelle in Loreto
durch Lud'ivico Seit/, mit den in Deutschland gesam-
melten Mitteln, bat von Anfang an grote Begeisterung
geweckt, wie sie bereits 1892 auch in der .Zeitschrift
für christl. Kunst" (V. 65—88) durch die eingehende
reich illustrierte Beschreibung von P. Beissel Ausdruck
fand.--Leider hat der am 11. September 1908 heim-
gegangene Meister nicht mehr die Einweihungsfeierlich-
keit seines eminenten Werkes erlebt, dem hier, an der
Hand großer vortrefflicher Aufnahmen eine so ver-
ständige wie liebevolle, glänzende Beschreibung ge-
widmet ist. — Um eine gewaltige Glorifikation der
Gottesmutter handelt es sich, und kein Geringerer als
Papst Leo XIII. hat sie angesichts der Entwürfe
als ein „wahres marianisches Heldengedicht" bezeich-
net. — Ein Meisterwerk der Symbolik ist die weitaus-
gesponnene Idee, ein Meisterwerk stilistischer Schönheit
deren Ausführung bis in die kleinsten Einzelheiten.
Maria erscheint in dem großen Glasfenster als die
Unbefleckte, an den Wänden über dem Chorgestühl
und dem Fries mit den Brustbildern der Päpste als die
Jungfrau, als die Gottesmutter, als die Teil-
nehmerin am Leiden Jesu und unsere Miterlöserin,
als unsere Mittlerin; im Gewölbe als die H immels-
königin im Kreise von zahlreichen Engeln und von
mehreren hervorragenden deutschen Heiligen. — Die in
ihrer ursprünglichen Ausmalung erhaltenen berühmten
Kapellen im Dome zu Monza und in St. Petronio zu
Bologna haben dem für die alten Kunstdenkmäler be-
geisterten Meister als Vorbild gedient, und in diesem
Rahmen hat er, mit vollkommener Selbständigkeit, in
gToßem Reichtum und entzückender Anmut die Archi-
tektur, die Ornamente, die figürlichen Darstellungen

eingezeichnet, deren harmonisches Zusammenwirken durch
die kräftige und doch einheitliche Färbung ergänzt
und gehoben wird. Da dieses ganz geschlossene En-
semble nicht nur als das Hauptwerk des Meisters
erscheint, sondern auch als das bedeutendste aus dem
Bereich der neuesten kirchlichen Dekorationkunst, so
ist dessen Veröffentlichung für die deutschen Stifter mit
besonderer Wärme zu begrüßen. SchnOtgen.

Runge und die Romantik von Andreas
Aubert. — Cassirer in Berlin 1909.— (Pr. knrt.
Mk. 10.-.)
Als Mittelpunkt der deutschen Frühromantik wird
der Maler Philipp Otto Runge (1777 —1810)
hier eingeführt, wie er sich ergibt aus den Zeugnissen
seiner Zeitgenossen, aus seinen (erst 1842 heraus-
gegebenen) bedeutsamen , Hinterlassenen Schriften,"
wie aus seinen Gemälden und Zeichnungen, von denen
hier 32 gute Abbildungen (als eingeklebte Illustra-
tionen) mitgeteilt werden. Diese vermitteln freilich
nur eine schwache Vorstellung von der fruchtbaren
Phantasie, von den intimen Gedanken, von der feinen
Linienführung, noch weniger von den koloristischen
Reizen, durch deren Betonung er namentlich als der
Prophet der neuen Kunstbewegung erscheint. — Der
hier in seinen Strebungen und Schicksalen in »einen
Beziehungen (zu Goethe, Tieck wie andern Heroen) und
Empfindungen geschilderte Hamburger Maler hat durch
seine, besonders Licht und Farbe betonenden Grundsätze
nicht nur auf seine Zeit, sondern mehr noch auf die
folgende einen großen Einfluß ausgeübt, und seine Por-
träts wie seine Alegorien geben davon ein ahnungsvolles
Bild in dem von Alfred Lichtwark betonten Sinne,
daß ihm das XX. Jahrh. noch viele Schüler zuführen
werde. — In diesem Sinne ist diese neue Würdigung ein
zeitgemäßer Hinweis auf die bald in den Vordergrund
gezogene, bald mehr in den Hintergrund gerückte, an-
ziehende Künstlerpersönlichkeit, in ihrem engen Zu-
sammenhange mit der immer noch der Aufklärung
bedürftigen Romantik. D.
 
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