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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Creutz, Max: Aus der Werkstatt des Rogerus
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0248

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369

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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der Augen, die Mitte im Ohr und die feinen
Linien zwischen Mund und Kinn. Hierauf
mache mit einfachem Rubrum die Brauen
und die feinen Züge zwischen den Augen und
den Brauen, die Augen unten in der vollen
Ansicht des Gesichtes, die Nase, über den
Nasenlöchern auf jeder Seite (wenn das Antlitz
rechts blickend verzogen oder gestaltet ist,
auf der rechten Seite; links, wenn es sich nach
links kehrt), ferner unten den Mund, um die
Stirn und innen in den Wangen der Greise
und an den Fingern der Hände und den
Gelenken der Füße innen, und bei einem
gewendeten Gesicht um die Nasenlöcher vorne
die Brauen der Greise aber oder von Hin-
fälligen machst du mit Veneda, mit welcher
du die Augäpfel angefüllt hast. Hierauf
vollende mit einfachem Schwarz die Brauen
des Jünglings, so daß darüber ein wenig vom
Rubrum sichtbar werde und den oberen Teil
der Augen und die Nasenöffnungen, den Mund
von jeder Seite, um die Ohrläppchen, Hände
und Finger an der Außenseite, die Gelenke
und übrigen Linien des Körpers. Alle Umrisse
des nackten Körpers mache mit Rubrum und
die Nägel mit einem außen aufgesetzten Rosa."
Wie dann weiterhin die Linien der Gewandung
ausgeführt werden, wie der äußere Schatten
aufgesetzt wird, wie mit Schwarz die Züge
der Gewandung gebildet werden, darin liegt
die gleiche starre Abhängigkeit vom primitiven
linearen Aufbau der Erscheinung. Die Ent-
wicklung der späteren Kunst ist über dieses
strenge lineare Element der Erscheinung fort-
geschritten, die Kunst wird monumentaler in
plastischem Sinne. Das ornamentale dieser
Flächenkunst wächst an zu einer räumlich
freieren Auffassung. Der Organismus der
Gestalten erscheint später räumlich durch-
drungen, der Faltenwurf wird freier und male-
rischer. Die starre abstrakte Linienführung
verschwindet in einer malerischen Verteilung
der Flächenkontraste. Der jüngere Apostel-
teppich mit Christus in der Mandorla zwischen
Michael und Gabriel und je 6 Aposteln zu
beiden Seiten ist in der Zeichnung strenger
(Abb. 4). Die Einfügung architektonischer
Glieder, der Parallelismus der Namensbänder,
der starre lineare Stil der Figuren geben dem
Ganzen ein festes Gefüge. Jeder Gestalt in ihren
Einzelheiten, den Linien der Gewandung, den
Körperteilen, die mechanisch bewegt scheinen,

ist eine architektonische Funktion zuerteilt,
sie wirken daher als „romanisch" im eigentlichen
Sinne des Wortes. Auffallend bei den beiden
Teppichen ist die starke Verwandtschaft der
Typen mit den Apostelköpfen des Paderborner
Rogerusaltars und den gravierten Metallplättchen
des Berliner Kunstgewerbe-Museums. Besonders
der scharf gezeichnete Kopf des hl. Michael
mit den scharf überschnittenen Pupillen und
der nach unten spitz zulaufenden Nase ist mit
den Apostelköpfen völlig identisch. Der Kopf
des Abraham gleicht besonders der gravierten
Figur auf der ersten der Berliner Metallplättchen.
Die Gestalten der Engel leiten sich mit Leichtig-
keit ab von der gravierten Engelsfigur auf der
Rückseite des Fritzlarer Goldkreuzes und den
Halbfiguren des Giebelkammes vom Godehard-
schrein. Die Rankenornamentik des Rogerus
findet in ihren doppelt gravierten Blatt-
enden ein Analogon in der Rankenornamentik
der stilisierten Bäume des Engelteppichs,
die hier durch das Nebeneinander von gelb
und rot an den Blattenden eine ähnliche
Wirkung erzielt. Die Tiere des Abraham-
teppichs zeigen, wenn auch ungleich hölzerner,
noch eine große Verwandtschaft mit den sicher
gezeichneten Pferden des Altars aus dem
Paderborner Franziskanerkloster. Durch die
Technik der Wirkarbeit sind diese Zusammen-
hänge naturgemäß nicht so scharf zu erkennen.
Unter den Händen der Wirkerinnen werden
die eigentlichen Linien der Vorlagezeichnung
undeutlicher. Aber es besteht ein Zusammen-
hang besonders mit dem älteren Engelteppich,
der die Tätigkeit des Rogerus v. Helmers-
hausen zu großer Bedeutung erhebt. Die
Übereinstimmung, die sich auch hier wieder
mit der Schedula des Theophilus offenbart,
scheint anzudeuten, daß wir der späten Notiz:
„Theophilus qui et Rugerus" Glauben schenken
können.

Im Werke des Rogerus scheint es fernerhin
wichtig, Material und Werkstattzusammenhänge
festzustellen. Daß für die Zukunft noch weitere
Werke dieser Gruppe auftauchen, ist keineswegs
überraschend, wie behauptet wurde. Haben
wir doch für zahlreiche Denkmäler überhaupt
noch keine Werkstattbeziehungen, die überall
bestanden haben müssen und die nur infolge
lückenhafter Erhaltung der Denkmäler schwer
erkennbar sind.

Köln. Max Creutz.
 
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