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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0107
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177

1911.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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Tietz, Güsten, um nur drei aus dem Kreise
Jülich zu nennen, bei weitem überlegen.
Charakteristisch ist, daß er sein flach gehalten
ist und wie aus einem starken Brett geschnitzt
scheint. Der Unterrhein wäre auch darin wohl
voller, plastischer gewesen.

Die Madonna, die auf einer Konsole das
Ganze bekrönt, deren Laubwerk ebenso wie
das der seitlichen Kapitelle den gleichen
Geist bekundet wie die Figuren, zeigt nicht
so ausgeprägt den Stil des Meisters. Die
Hei ige steht auf einem Halbmond und einer
Schlange, die oben in einen anmutigen Frauen-
kopf ausläuft. Das Gewand ist ziemlich klar
komponiert, male-
rischer fast noch
als bei den bis-
herigen Figuren,
und doch nicht so
unruhig und zer-
fahren. Auch der
Kopf ist anders,
breiter und voller,
hat freilich sein
Grübchen bewahrt.
Vielleicht stammt
diese Madonna von
einem Schüler oder
anderen Meister.

Der Siersdorfer
Lettner führt uns
wieder zurück nach
Hannen, wo wir
schon die Kreuzi-
gungsgruppe ken-
nen lernten. Diese
steht auf einem
langen Balken, der

Fig IS

die Seiten des Triumphbogens verbindet und mit
den Brustbildern Christi und der Apostel geziert
ist. (Vgl. über diese sog. Apostelbalken: Annalen
des Historischen Vereins für den Niederrhein
4li, S. 195. — Abb. in Kunstdenkmäler des
Kreises Jülich Taf. III.) Diese Reliefs zeigen
eine große Verwandtschaft mit der Augustus-
figurdes Lettners, und darum sei dieser Balken,
nachdem jener Ausgangspunkt gewonnen, erst
hier eingereiht. Die Köpfe sind meist scharf
ins Profil gedreht mit langer, spitzer Nase,
wodurch sie fast etwas Bizarres bekommen.
Die Haarbehandlung entspricht der des Au-
gustus, wo die vorne geringelten Locken durch
sorgfältig seitwärts gekämmte ersetzt sind.

Diese Serie der Brustbilder ist aber weit
derber als der Siersdorfer Bogen mit seinen
Figuren und deshalb wohl nur als Werkstatt-
arbeit anzusehen. Interessant ist dieser Balken
wegen der trennenden Säulchen, die sich
zwischen die einzelnen Flachnischen schieben,
die die gleiche spielerische Behandlung wie
die vlämischen Säulen der Frührenaissance
zeigen. Auf der südlichen Konsole ist die
Jahreszahl 1545 eingegraben, wohl das Jahr
der Entstehung dieses Balkens. Damit ist
uns zugleich ein Anhaltspunkt zur Datierung
des Siersdorfer Bogens gegeben. Die Annahme,
daß auf Grund der dort dargestellten Johannes-
figur der Ritter
Johannes von Gohr,
der im Jahre 1547
Kommandeur in
Siersdorf wurde,
der Sifter dieses
Werkes sei, be-
kommt dadurch
einen neuen Stütz-
punkt.

Es mögen noch
manche Werke von
diesem anschei-
nend sehr tätigen
Meister auf dem
Lande zerstreut
oder in Samm-
lungen gelandet
sein. Es wird nun
auf Grund der
Zusammenstellung
nicht mehr schwer
sein, bei andern
F'g-13- Werken seine Au-

torschaft herauszuhndi n. Als eine wohl
typische Arbeit seiner letzten Periode möchte
ich hier noch den Christophorus in der
katholischen Pfarrkirche zu Heinsberg an-
schließen, der aus der Kirche des dortigen
Frauenstiftes stammt. (Kunstdenkmäler des
Kreises Heinsberg, S. 51, Fig. 33. — Fig. 14.)
Er ist in mehr als doppelter Lebensgröße
aus Eichenholz geschnitzt. Eine wunderliche
Gewandung zeigt der Heilige: Ein am Ober-
körper knapp anliegendes Kleid, das in
! seinen horizontalen Streifen wohl noch an den
Panzer erinnern soll und mit mehreren Borten
besetzt ist. Am Halse läßt ein gezackter Aus-
schnitt das plissierte Hemd sichtbar werden.
 
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