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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Schnütgen, Alexander; Gabriel, Heinrich; Mündelein, Franz: Die aus dem alten Kloster-Ökonomiegebäude durch Umbau entstandene Kirche zu Listernohl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0140
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239

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 8.

240

Bei der Ausführung der verschiedenen, für
diesen Zweck erforderlichen baulichen Ver-
änderungen wurde größtes Gewicht auf die
Erhaltung der schlichten Eigenart, des Alters
und des Charakters der interessanten, wirkungs-
vollen Gebäudegruppe gelegt. — Der bauliche
Zustand derselben war ziemlich gut. — Diesem
Umstände ist es hauptsächlich zu danken, daß
bei den schwierigen Ab- wie Einbruchsarbeiten
und der Einfügung der neuen Decke, Sach-
beschädigungen und Unfälle vermieden wurden.

Durch den Abruch der Innenwände und
Decken der alten Scheune (Abb. 1 u. 2), bzw.
des alten Wohnhauses wurde ein großer Raum
von 9,90 vi Breite und 27,40 m Länge ge-
wonnen. Das so erreichte Kirchenschiff hat
bei derselben Breite und einer Länge von
21,00 m eine ausreichende Größe erhalten. —
Der verbleibende Raum wurde zu einer Vor-
halle (Abb. 3) umgestaltet, über bzw. neben
der ein Teil der Sängerbühne, ferner ein neues
Treppenhaus mit zwei Wohnräumen angelegt
sind, welch' letztere die beschränkte Woh-
nung des Geistlichen im südöstlichen Verbau
vergrößern und verbessern.

An der Nordseite der Kirche ist ein neuer
Choranbau (Abb. 6) ausgeführt, hierfür die große
Einfahrt (Abb. 5) zu einer Triumphbogenöffnung
erweitert. Das neue Chor (Abb. 8) ist mit
Schwemmsteinen eingewölbt, der Schiffraum
hingegen mit einer gewölbten Holzdecke (Abb. 9)
versehen; die alte Konstruktion des Dach-
verbandes und auch die Eindeckung der Dach-
fläche sind unverändert beibehalten. — Die alte
Dachbalkenanlage (Abb. 2) ist durchschnitten
und entfernt, nachdem eine entsprechende
Verstärkung des Dachverbandes (Abb. 4) vor-
genommen wurde. Die Balkenköpfe sind in
ihrer alten Form und Lage verblieben. Auch
die einige Jahre zuvor mit zwei spitzbogigen
Fenstern versehene Kapelle im nordöstlichen
Flügelanbau (Abb. 5), deren gleichzeitig auf-
gesetzter Dachreiter (Abb. 6) unverändert bei-
behalten wurde, ist zu einer geräumigen
Sakristei umgewandelt, die durch einen kleinen
Treppengang mit dem neuen Choranbau
verbunden wurde. Über diesem Gange er-
hebt sich ein schmuckes Türmchen, durch
welches die ganze Anlage in ihrem Charakter
bestärkt, ihre malerische Wirkung erhöht wird.

Bei der Ausführung aller Ergänzungs-
arbeiten, auch sämtlicher Einzelheiten z. B.
bei der Anlage der Fensler, der Fußböden

usw. ist auf die Verwendung heimischer Ma-
terialien und deren ortsübliche Bearbeitung
Bedacht genommen. Alle Zierformen, die
den einfachen kindlichen, aber wirkungs-
reichen Gesamtcharakter der Gebäudegruppe
gestört hätten, sind vermieden worden.
Paderborn. Mündelein.

Schlußwort.
Die in der vorstehenden Chronik wie
Baubeschreibung wegen ihrer praktischen
und formalen Vorzüge betonte Umgestaltung
des Barock-Ökonomiegebäudes im Sinne seiner
stilistischen wie technischen Eigenart kann ich
meinerseits nur bestätigen, das Verdienst aus-
schließlich dem Baumeister Mündelein zu-
messend, dessen Aufgabe nicht leicht war.
Daß diese Rücksichtnahme, die gerade bei den
heutzutage häufig vorkommenden Erweite-
rungsbauten so oft unterbleibt, hier sogar auf
die Erhaltung der alten Fenster und Decken
in der Vorhalle sich bezieht, ist ein Beweis
der den tüchtigen Architekten kennzeichnenden
Selbstbeschränkung. Wie sehr sie vereinbar
ist mit der Fähigkeit weiser Ergänzung und
harmonischer Ausgestaltung, beweisen nament-
lich der Turm und seine Silhouette (Abb. 7), das
Holzgewölbe und seine Gliederung (Abb. 9), auch
der flach geschlossene Choranbau (Abb. 6),
der den Dimensionen des mächtigen alten
Hochaltars (Abb. 8) vorzüglich sich anpaßt
und durch die Seitenbeleuchtung Geltung ver-
schafft. Dieser Aufsatz von Eichenholz hat als
Bekrönung eine Engelgruppe: drei geflügelte
Köpfe in Wolken mit dem Monogramm
Christi, darunter als gleichzeitiges, wohl köl-
nisches, Ölgemälde die Darstellung der aller-
heiligsten Dreifaltigkeit, welche die Füllung
des Oberteiles bildet. — Der Unterteil wird
von zwei Säulenpaaren eingefaßt, von dem
neuen Brustbilde des hl. Bischofs und Kirchen-
lehrers Augustinus als Patrons der Kirche
beherrscht, welches dem „Madonnenmaler"
Heinrich Nüttgens seine Entstehung verdankt,
zeichnerisch wie farblich vortrefflich sich ein-
gliedernd. Das architektonisch fein gelöste
große Drehtabernakel mit Pelikan und Engel-
statuetten bildet den Mittelpunkt, und das
etwas später entstandene Antependium mit
Stuckornamenten erscheint als Sockel. — Die
beiden Sanktusleuchter von ll/„ m Höhe
haben ebenfalls Stuckverzierungen aus der
Empirezeit in dem ursprünglichen Kolorit.
 
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