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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Tepe, Alfred: Malerisch, [1]: Eine entwicklungsgeschichtliche Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0196
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1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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höfen, Kanälen, Gassen und Giebeln? Wie
war die Bibliothek beschaffen, aus welcher
wir unsere Motive schöpften; bestand sie aus
Pracht und Bildwerken, vielfach fremdländi-
scher Herkunft? Oder lagen unsere Vorbilder
zerstreut in der engeren und weiteren Heimat,
uns immer gemahnend an der Ahnen solide
und vernunftgemäße Kunstweise ? Und das
Malerische? Läßt es sich auch nicht gewaltsam
hervorbringen, so ergibt es sich doch oft von
selbst, aus der zwanglosen und verständnis-
vollen Anpassung an lokale Eigentümlich-
keiten und individuelle Wünsche. Haben wir
in diesem Sinne unsere Aufgabe erfaßt und
sind uns da-
durch male-
rische Grup-
pierungen
gelungen?
Wir dürfen
dem Leser
in kleinen
Abbildungen
einige Resul-
tate unseres
Strebens vor-
legen und
ihn dadurch
in Stand

setzen, obige
Fragen selbst
zu beantwor-
ten. Wenn
aber die im
letzten Punk-
te kompeten-
testen Beurteiler, die Herren Maler, für die
gotische Bewegung sich wenig begeistert haben,
so ist ihnen dieses durchaus nicht zu ver-
denken, weil eben auch eine Portion steifer,
steifster und unverstandenster Gotik im XIX.
Jahrh. verbrochen worden ist.

Es sind jedoch noch andere und tiefere
Ursachen vorhanden für die Mißstimmung
der Herren vom Pinsel und der Palette.
Und hiermit springen unsere Gedanken wie
elektrische Funken durch Fenster und Mauern
ins Kircheninnere herüber, um in anderem
Sinne dem Malerischen oder der Malerei sich
zuzuwenden.

Die Ästhetiker hatten gesprochen: Die am
wenigsten von der Materie abhängende, mit
der Materie sich befassende Kunst soll an

Abb. 2. Mydrecht.

Apollos Thron die oberste Stufe einnehmen,
der am meisten in Staub und Dreck Wühlende
sich an den untersten genügen lassen. —
Daher, o Baukunst bescheide dich! Zeige her
deine Hände, deine schwieligen. Es klebt an
ihnen die Baugrubensubstanz, sie sind rauh
vom Ziegelformen und -verlegen, vom Mörtel
gebeizt. Sie tragen die Narben von Meißel
und Hammer, Holzsplitter haben sie zum
Schwären gebracht; das Schmiedefeuer hat
sie geschwärzt und versengt. Da stehst du,
gebückt von den Lasten, die du geschleppt;
dein Sorgenantlitz spricht von deiner harten
Arbeit, deinen Mühen und Gefahren, in

Erdentiefen
und Wolken-
höhen. Hun-
dertfach ge-
bunden an
Naturgesetze
und Men-
schensatzun-
gen, preis-
gegeben den
bösen Gei-
stern in der
Luft, den
aufsteigen-
den, nieder-
stürzenden,
zersetzenden
Gewässern.
Ergebene
Geduld und
harte Skla-
venarbeit ist
dein Los. — Bist du wohl eine Kunst? Nun
ja, wir wollen deinen Anspruch ehren und die
Kunst nicht in bloße „Kunde" umwandeln.
Denn schließlich regiert der Geist auch deine
materiellen Bemühungen, nicht allein der Geist
der Wissenschaft, des Handwerks, der Erfah-
rung, sondern auch der erhabene Geist der
Schönheit. — Tröste dich! Steht sie schon
eine Stufe höher, so hat doch auch die
Skulptur mit Lehm und Gips, mit Stein und
Holz, Marmor und Metall ihre liebe Erden-
not. Als neuestes Material hat sie nun auch
den Beton hinzubekommen und damit ihre
Grenzen erweitert. Sie kann Riesengebilde
mit leichterer Mühe als Ägypten und Assyrien
hervorbringen; auf ein paar hundert Schieb-
karren kommt es ja nicht an.
 
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