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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0151
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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

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bigen Grund wirft. Welches Motiv immer
hergeholt wird, es wird zugeschnitten auf
seine Aufgaben. Fassen wir den Stoff in
Abb. i ins Auge. Die dort verwerteten
Tiermotive sind mit feinem Verständnis für
das Aussehen und die Bewegungen des

Abb. 6. Prachikasel des XV. Jahrh. Zu groß gemusterster Stoff

Körpers gezeichnet; und doch geht der
Künstler der Versuchung bewußt aus dem
Wege, einen Löwen oder Hirsch in photo-
graphischer Treue wiederzugeben, mit den
plastischen Abrundungen, mit der wallenden
Mähne usw. Er stilisiert den Körper auf das
nachdrücklichste, alle Teile des Körpers sind
als dekorative Elemente verwertet. Die

gleichmäßige symmetrische Aufteilung des
Bildes in vollkommen kongruente Einzel-
teile, die blattartige Auflösung des Schwanzes,
das alles läßt den Eindruck nicht auf-
kommen, als hätten wir wirkliche Hirsche
vor uns; wir fassen sie vielmehr sofort
als Ornament gewor-
dene Natur auf. Das
primitivste, aber nicht
das wirkungsloseste Mit-
el der Stilisierung ist
das der Umstellung der
Farben, wie sie auch
bei obigem Stoff vorge-
nommen wurde, indem
man den Tieren einen
goldenen Körper gab,
der auf grünem Grunde
steht. Ebenso ist das
pflanzliche Motiv zu be-
handeln. Es ist nicht
die Aufgabe des Zeich-
ners, eine Blume oder
ähnliches für den Seiden-
stoff so zu entwerfen,
daß die Lilie, die Rose,
das Veilchen sofort als
solche zu erkennen sind;
natürliche Blumen mit
all ihren Details in Form
und Farbe wachsen nicht
auf Seidenstoffen, wohl
aber können sie für diese
das Schmuck m o t i v
abgeben. Eine weitere
Forderung, die wir an
den guten Stoff zu stel-
len berechtigt sind, ist
die, daß er seinen Dekor
n ich t aus der
Fläche heraus-
treten läßt, daß
also die Schmuckmotive
vollkommenf lächenhaft,
ohne plastische Durch-
bildung in dem Grunde stehen. Sobald etwa
die Rose als Dekor auftritt, und die zart um-
geschlagenen und ineinander geschachtelten
Blätter möglichst naturwahr wiedergegeben
sind, wirkt sie plastisch, wirkt greifbar und
tritt aus der Fläche heraus. Der abgebildete
Tierstoff bietet auch dafür wiederum ein
mustergültiges Beispiel, wie Grund und Dekor
 
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