Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0152

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
269

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr.9/10.

270

auf eine einzige, stets wohltuend wirkende
Sehfläche gebracht werden können. Wie häß-
lich, zum mindesten aufdringlich schlecht
stilisierte Stoffe an kirchlichen Gewändern
wirken können, erweisen manche der
spätbarocken und vor allem der Seiden, die
in den dreißiger und vierziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts entstanden sind.

Über die verschiedenen Webetechniken
und ihre verschiedenartige Wirkung hier zu
sprechen, würde zu weit führen. Die Vorzüge
eines dezent gemusterten Damastes wurden
bereits hervorgehoben, die Brauchbarkeit
von Brokaten, Samtstoffen usw. in den
einzelnen Fällen hängt nicht zuletzt auch von
der Stickerei ab.

Von einschneidender Bedeutung ist die
Einfärbung des Paramentenstoffes. Über die
üblen Wirkungen des Färbens mit Anilin-
farben ist viel und nachhaltig geschimpft
worden. Dabei darf aber die eine Tatsache
nicht aus dem Auge gelassen werden, daß wir
kaum noch an diesen chemischen Färbe-
mitteln vorbeikommen können. Fast tragi-
komisch dagegen wirkt heute die Beobach-
tung, daß den vielen kunstbegeisterten
Frauen und Männern zum Trotz, unsere Zeit
eine ganz bewußte revolutionäre Opposition
betreibt gegen die „Farbenscheu", die das
Grün immer nach See- oder Moosgrün, das
Rot nach Terrakotta oder Purpur, das Violett
ebenfalls nach Purpur hinüber abtönen will.
Und, verwunderlich genug, die Damen machen
selbst die Mode mit. Ist das Zufall, ist's Ge-
schmacklosigkeit, ist's einzig Mode? Dann
jedenfalls eine starke und —■ wir gestehen es
für uns wenigstens zu — eine nicht einmal
unsympathische. Ehrlich gestanden, ich
freue mich immer, wenn ich irgendwo in
einem Parke oder an einem Balkon so recht
freche, ja schreiende rote Geranien und blaue
Winden gegeneinander ihre Schönheit zur
Schau stellen sehe. Wahr ist's: Der Frühling
und der Herbst sind auch farbenscheuer, sie
sind sentimentaler, und ihre Blumen und
ihr Laub liegen sich in ihren verschwimmen-
den weichen Farbtönen in den Armen, als
scheuten sie alle, für sich selbst zu existieren.
Sobald aber die Sommersonne auf die Wälder
und Wiesen und Gärten sich wirft, dann wirds
auch bunter draußen und lustiger, und auch
an sich härter, und erst, wenn die Sonne
sinkt und selbst ihre Kraft verliert, dann

Abb 7.

Kasel mit Klaven und zentralem Schmuck.
Ausf. Leo Peters, Kevelaer.

Abb. 8. Moderne Kasel, Goldkontur auf Uniseide.
Oute Einordnung des Schmuckes. J. M. Braß, Krefeld.

bindet ihr gelbrot werdendes Licht die leuch-
tenden Farben, die vorhin nebeneinander
gestanden, und sie kauern sich, wie es scheint,
zusammen zu einer farbigen Masse zum Nacht-
 
Annotationen