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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Münzel, Gustav: Zur Datierung der Tauberbischofsheimer Bilder Grünewalds
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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 12.

358

Zur Datierung- der Tauberbischofsheimer Bilder Grünewalds.

|ei Erörterung der Datierung
der Tauberbischofsheimer Bilder
kommt Schmid zu dem Resultat,
daß die beiden Tafeln um das
Jahr 1522/23 anzusetzen seien1). In den
Überlegungen, die ihn dazu geführt haben,
erwähnt er auch die Jesaiastelle, die
sich auf dem Kreuztragungsbilde findet.
Er zieht in Erwägung, ob diese Stelle nicht
der Lutherschen Jesaiaübersetzung ent-
nommen sei, wodurch das Bild entsprechend
dem Erscheinen dieser Übersetzung erheblich
später anzusetzen wäre. Allein er entschei-
det sich dann zu der obengenannten An-
setzung, weil aus zwingenden, stilkritischen
Gründen die Tauberbischofsheimer Bilder
dem Münchener Erasmusbild und der
Aschaffenburger Beweinung vorhergehen
müssen2).

Im Gegensatz zu dieser Bestimmung
kommt Schmid dann bei Besprechung der
Tauberbischofsheimer Bilder selbst doch
wieder auf die Beziehung der Jesaiastelle
bei Grünewald zu der Lutherübersetzung zu-
rück und hält es immerhin für möglich, daß
das Bild nach 1525 entstanden ist, und daß
dem Jesaiaspruch am Friese wirklich die
Luthersche Übersetzung zugrunde liegt").
Demgegenüber soll hier darauf hingewiesen
werden, daß die Jesaiastelle bei Grünewald
nicht mit der Lutherübersetzung zusammen-
hängt, und daß darum bei dem Fehlen dieser
Beziehung kein Datierungsanhalt in dieser
Stelle für das Kreuztragungsbild gegeben ist.
Zunächst sind bei Schmid die beiden
Stellen, sowohl die Grünewalds wie auch
die Luthers unrichtig wiedergegeben. Der
in Betracht kommende Teil des Satzes in
Jesaia 53, 5 heißt bei Luther: Aber er ist
vmb vnser missethat willen verwundet, vnd
vmb vnser sunde willen zuschlagen, —
während es bei Schmid anstatt ,.zuschlagen"
„zerschlagen" heißt4). Auf Grünewalds Kreuz-

]) H. A. Schmid, ,Die Gemälde und Zeich-
nungen von Matthias Grünewald» (Straßburg 1911),
S. 230.

-') Schmid, a a. C, S. 18.

3) Schmid, a. a. O., S. 230. Vgl. auch S. 234.

4) Luther hat diese Jesaiastelle seit seiner ersten
Übersetzung dieses Propheten nie geändert. So findet
sich zu dieser Stelle keine Variation angegeben in der
kritischen Bearbeitung von Luthers Bibelübersetzung

tragung lautet die Stelle: Er ist vmb vnser
svnd willen gesclagen, während Schmid
an Stelle von ,,gesclagen" als Text von
Grünewald „geslagen" angibt •''). Vergleicht
man nun die beiden durch die Richtig-
stellung noch differenter gewordenen Texte
miteinander, so zeigt sich der charakte-
ristische Unterschied von „sunde" mit dem
Endungs-e bei Luther und „svnd" bei
Grünewald. Ferner die noch größere Ver-
schiedenheit, daß Luther in augmentloser
Partizipialform das viel stärkere „zu-
schlagen", gebraucht0), wohingegen Grüne-
wald nur das einfache Verbum, und zwar
in der besondern alten orthographischen

von Bindseil und Niemeyer, IV. T., Halle 1850, S.8rj.
Es ist natürlich eine irrige Angabe, wenn der Heraus-
geber in der kritischen Gesamtausgabe der Werke Luthers,
Bd. ?, Weimar 1884, S. 137, zu einer Stelle in dessen
Schrift: Eyn Seimon von der Betrachtung des heyligen
leydens Christi von 1519, worin es heißt... „als er
spricht durch Isaiam 53. Umb der sund willen meyns
volcks hab ich yhn geschlagen" — die Marginalnote
Jes. 53,5 macht. Wie ja der Wortlaut ohne weiteres
zeigt, handelt es sich nicht um diese hier besprochene
Stelle, sondern um Jes. 53,8. So ist auch diese Stelle
aus dem Sermon in Bindseil-Niemeyers Bibelbearbeitung
Luthers richtig dort.Jes. 53,8, angeführt, und zwar als
eine Variation nach der Vu'gata, während Luther im
Jesaia von 1528 die Stelle nach dem Hebräischen
übersetzt: „da er vmb die missethat meines volcks
geplagt war". Die gleiche Stelle wird z. B. im
Plenarium oder Ewägely buoch (Basel 1514, bei Adam
Petri, Bl. 98a) übersetzt: „Vmb die sünd meines volcks
hab ich in geschlage".

6) Bei Schmid a. a. O. S. 48 befinden sich die
beiden Stellen.

6) Luther gebraucht häufig in seiner Übersetzung
Verben mit dem Präfixum intensivum „zu" in der Be-
deutung von „zer", so daß das Verbum „zuschlagen"
die Bedeutung von „zerschlagen" oder „zusammen-
schlagen" hat. Als Beispiele seien angeführt:Jes. 3, 15
(Bibel von 1545): „Wanimb zutrettet jr mein
Volck vnd zu sc hl ah et die person der Elenden."
Ferner Jes. 24, 10: „die lehre Stad ist z üb rochen."
Die Vulgata hat wie für das im Text behandelte „zu-
schlagen", so auch für „zutrettet" und „zubrochen" in
diesen Beispielen Formen von „altera", aus welchem
Gebrauch der starke intensive Charakter der Verbin-
dungen mit „zu" bei Luther in diesen Wörtern her-
vorgeht. Weitere Anwendungen von „zuschlagen" in
Luthers Jesaia z. B. 53, 10, 57, 15. — Zu „sunde"
vgl. Luthers Sprachgebrauch bei Franke, Grundzüge
der Schriftsprache Luthers, Görlitz 1888, S. 170 ff. und
zweite Auflage I, Halle 1913, S. 130 f. Über seine
Verwendung des Präfixes „zu", die die gleiche ist
wie die der kursächsischen Kanzlei vgl. ebendort I,
S. 190 f.


 
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