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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0126

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221

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

222

Bücherschau.

Das Kolorit in der venezianischen Malerei.

Von Maria Grunewald. Berlin 1912. Br.

Cassirer.
Man mag beim ersten Lesen des Buches verwundert
aufhorchen, wenn die Verfasserin mit einer fast klein-
lichen Aufteilungstendenz an die Meisterwerke der
Venezianer herantritt; man ist versucht, darüber zu
murren, daß den Bildern die Lupe in dieser Weise
aufgesetzt wird, aber man freut sich bald über die
warme Liebe, die aus all den Untersuchungen, aus
dem Frage- und Antwortspiel nach dem Warum und
Wodurch spricht. Ob nicht gerade die Sorgfalt einer
Frau hier am Platze war? Ich habe manche Abschnitte
mit Genuß gelesen und mich überzeugen lassen, daß
der Eindruck eines großen Bildes sich mosaikartig,
wenn auch schnell, zusammensetzt aus tausenderlei
Einzeleindrücken, die Wohlbehagen und Gefallen oder
aber Mißfallen auslösen. Daß ein Buch, wie das vor-
liegende, Subjektivitäten in Menge mitbringt, ist selbst-
verständlich, und das schadet dem einsichtigen Leser
auch nicht, er wird zwangsweise, aber in fast amü-
santer Art, dazu gebracht, das Kunstwerk von tausend
Stellen aus zu beobachten. Es wirkt fast komisch, daß
eine Frau an das große Thema sich heranwagt, nach-
dem unsere bedeutendsten Fachmänner und Ästheten,
wie Thode, Wulff u. a., dasselbe immerhin nur ge-
streift haben. Das Buch ist voll Ernst und mit vieler
Sachkenntnis, zweifellos auch mit großem Fleiße
geschrieben und zeugt von einer ausgedehnten gewissen-
haften Autopsie. Witte.

Emile Verhaeren. Rembrandt. Übertragung
von Stefan Zweig. Insel-Verlag, Leipzig.
Ein mit staunenswertem Feingefühl geschriebenes
Buch, das hoch über vielen anderen über denselben
Meister steht. Ich glaube nicht, daß der Verfasser
seine Arbeit in eine streng kunstgeschichtliche Biblio-
thek stellen wollte; er geht zu denen, die mit dem
leichtsinnigen holländischen Künstler leben und leiden,
die rein alles bei ihm aus eben seinen Lebenseinzel-
heiten hervorgehen sehen, wie es ja bei Rembrandt
klarer als bei den meisten anderen tatsächlich zu be-
obachten ist. Rembrandt ist ganz Rembrandt, nicht
Kind seiner Zeit und in seinen Werken ihr Spiegel,
er ist einzig er selbst, deshalb auch nicht verstanden,
beiseite geschoben von seinen Zeitgenossen, ein Out-
sider im schlimmsten Sinne. Verhaerens Ausführungen
lesen sich so glatt wie eine Causerie unter dem Strich,
ohne dadurch an greifbarem, und zwar Wissenschaft
lichem Wert zu verlieren. Bestechend geradezu is
die Diktion, gedanken- und formenreich die Sprache
So kommt es, daß alles in dem Buche so völlig vor-
urteilslos erscheint und so selbstverständlich. Bei
näherem Zusehen jedoch wird man beginnen, abzu
wägen, was denn nun sicher und was subjektiv ist
und da wird mancher Kritiker zum mindesten nich
ganz einverstanden sein mit V.s Zusammenstellung von
Rembrandts Moralkompendium, das gar zu vorurteils-
und voraussetzungslos ausfällt, dessenungeachtet möchte
ich das Buch allen denen dringlichst zur Lektüre
empfehlen, die es lieben, einen großen Meister Tag
um Tag leben und zugleich in diesem Leben arbeiten

zu sehen. Methodisch in diesem Sinne ist V.s Buch
in ganz hervorragender Weise eine erquickende, unter-
haltende, belehrende Lektüre, die einen ei wärmt und
unbedingt mitreißt. Die Ausbtattnng ist so anspruchs-
los wie wirkungsvoll und des Verlages würdig. Ich
möchte besonders den Herren Gymnasial-Oberlehrern
die Lektüre empfehlen, da sie ihnen ein prächtiges
Muster darbietet für die Behandlung von „Charakter-
bildern aus der Kunstgeschichte". Die beigegebenen
Bilder sind prächtig. Witte.

Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Heft
159. H. Hammer, Die Entwicklung der barocken
Deckenmalerei in Tirol. Straßburg (Heitz & Mündel)
191.'. 30 M.

Es lohnt sich, dem Gang der Entwicklung zu
folgen, den die Tiroler Deckenmalerei genommen hat.
Einheitlicher als irgendwo anders ist gerade dort zur
Zeit des Barocks die Ausstattung der Edelsitze und
Kirchen durch eine den Bauwerken angepaßte deko-
rative Malerei. In erster Linie trägt sie kirchlichen
Charakter, und auch dort, wo sie vereinzelt auf private
Gebäude überspringt, verleugnet sie nicht ganz ihre
Abstammung und starke Seite. Da die Malerei nicht
ausschließlich in bevorzugte Stadtkirchen, als vielmehr
auch in die kleinsten, abgelegenen Dorfkirchen Ein-
gang fand, denen nur geringe Mittel zur Verfügung
standen, bildete sich ganz von selbst eine handwerk-
liche Routine aus, ohne aber zum abgenutzten Schema
und zum Handwerksmäßigen im schlechten Sinne zu
kommen. — H., der durch seine fleißige Arbeit über
Josef Schöpf sich bereits als mit dem Thema vertraut
ausgewiesen hat, ist voi sichtig in seinem Urteil und
setzt den Abschluß desselben noch aus, bis die italie-
nische Deckenmalerei ausgiebig genug erforscht und
veröffentlicht ist. Die barocke Deckenmalerei hat ihre
Vorläufer in den Nachzüglern mittelalterlicher Malereien
und greift erst allmählich zu ihrer typischen Richtung,
der illusionistischen Perspektive, die später die ganze
Malerei beherrscht. Dazwischen liegt die Ausmalung
von mehr oder minder großen, von Stuckornamenten
umrahmten Malfeldern. Das Emporblühen der Decken-
malerei hängt innig zusammen mit dem Neuerwachen
einer intensiven Bautätigkeit im Lande, die ganz von
selbst auch die nötigen Künstler auf den Plan ruft:
die Familien der Schor, Waldmann, Ainhauser usf.
Ihre Tätigkeit in Italien, speziell in Rom (Schor),
brachte auch den italienischen Einschlag, der besonders
im südlichen Tirol zu Worte kam, während der
Norden zum Teil der Einflußsphäre des benachbarten
Bayernlandes zuzuschreiben ist. Die Geübtheit der
tirolischen Maler machte letztere auch im Auslande
bekannt, und zumal zur Rokokozeit finden wir sie
mehrfach außerhalb der Heimat. Zur Zeit des Klassi-
zismus hörte die gute alte Werkstatt-Tradition auf,
Richtschnur für den Nachwu hs zu sein, die Maler
schulten sich im Sinne der Richtung Mengs an klas-
sischen Vorbildern. Martin Knoller und Josef Schöpf
waren die Träger der letzten Blüte kirchlich dekora-
tiver Deckenkunst. H.s Arbeit ist, soweit möglich,
erschöpfend und verdient für die verständnisvolle
systematische Verfolgung der Entwicklungsgeschichte
 
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