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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 12
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Witte, Fritz: Zur Geschichte der Seidenweberei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0206

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371

1913.— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr 12.

372-

Zur Geschichte

iiler das Erscheinen des großen
Tafelwerkes verfolgt hat, das
Lessing an der Hand vornehm-
lich der reichen Schätze des König-
lichen Kunstgewerbemuseums herauszugeben
begonnen hatte, der wird in der Bezeich-
nung der Abbildungen eine gewisse Un-
sicherheit herausgefühlt haben, die zumeist
im Mangel an orientierendem Texte ihren
Grund haben mochte. Lessings Nachfolger,
O. v. Falke hat das Glück wahrhaftig mit
vollen Schaufeln zugemessen, indem es ihm
mehrfach vergönnte, abschließende, groß-
zügig angelegte und ausgestattete Arbeiten
herauszubringen, die grundlegend für das
behandelte Gebiet wurden und geblieben
sind. Wir erwähnen nur seine „Schmelz-
arbeiten" und seine,, Geschichte derKeramik".
Neuerdings gab er uns in zwei Bänden den
Text zum Lessingschen Tafelwerk1). Ebenso
umfassend und auch wohl erschöpfend, mit
derselben Gründlickeit, und darum von
gleichem Werte für die Forschung, wie die
früheren Arbeiten. Nach Falkes Feststel-
lungen müssen wir heute eine ganze Reihe
von Korrekturen vornehmen in der bislang
geübten lokalen wie zeitlichen Verankerung
der mittelalterlichen Gewebe. Und, soweit
wir überhaupt kontrollieren können, sind
Falkes Zuweisungen und Datierungen so ge-
sichert durch einen oft aus weitab liegenden
Gebieten aufgebotenen Zeugenapparat, daß
uns seine Bestimmungen als abschließend
erscheinen müssen. Wenn wir bislang auch
von der einschneidenden Bedeutung der Ge-
schichte der Gewebe für die Stilkritik und
die Verfolgung der Beziehungen der kunst-
übenden Länder untereinander alle über-
zeugt waren, vielfach gründete unsere An-
nahme in Vermutungen, v. Falke schlägt seine
Nägel an der richtigen Stelle und recht tief
ein, und wir sehen jetzt, was und wieviel
wir daran hängen können. Das sei vorweg
bemerkt: Man wird ganz selten nur das
Kompendium eines kunstgeschichtlichen Spe-
zialgebietes mit solch reichem Gewinne
durcharbeiten, als diese Geschichte der
Seidenwebererei, allerdings auch selten unter
soviel Arbeit.

') O. v. Falke. »Kunstgeschichte der Seiden-
weberei«, 2 Bde. Kl. Fol. Berlin 1913 (E. Wasmuth).

der Seidenweberei.

Was uns vornehmlich auf den Vasen-
malereien der vorchristlichen Epochen ent-
gegentritt an Gewandstoffen, ist entweder
einfarbiges, mit gewirkten oder gestickten
Borten besetztes Gewebe, oder es ist schlicht
linear oder geometrisch gemustert. Wo von
Bildstoffen (stromata babylonica) die Rede
ist, haben wir es mit Wirkereien und nie-
mals mit Geweben zu tun. Das Wenige,
was an griechischen Stoffen auf uns ge-
kommen ist, erweist sich, soweit es ge-
mustert ist, als Wirkerei. Die eigentlichen
Gewebe der griechischen Epoche sind locker
mit Streumustern aufgeteilt: Mit Sternen,
Hakenkreuzen, Blüten und Kreisen. Das
bleibt der Dekor bis weit ins V. Jahrh.
hinein. Dadurch, daß v. Falke den Nach-
weis erbringt, daß diese Kleinmusterungen
bereits dem Formenschatze der klassischen
Periode angehören, hat er endgültig das
Märchen von dem frühen und bestimmenden
Einflüsse des Perser- und anderer asiatischer
Reiche auf die Gestaltung der Gewebe-
formen des Mittelalters aus der Welt ge-
schafft. Besonderer Wertschätzung erfreuten
sich allerdings diese Streumuster in den grie-
chisch kolonisierten Kulturzentren, wie in
Alexandrien und Antinoe, von wo aus sie dann
aber auch über Byzanz und die sogenannte
Koptenkunst weg in den Kanon des Mittel-
alters Eingang fanden.

Auch in die bisherige Beurteilung der viel-
umschwärmten Koptengewebe legt v. Falke
eine breite Bresche. Einmal, daß er über-
haupt — und mit guter Begründung —
erst von ungefähr 600 an eine eigentlich
christlich koptische Weberei gelten läßt, dann
auch erweist er die aus Achmim usf. stam-
menden Arbeiten der ersten fünf Jahrhun-
derte nach Christus als griechische Ableger.
Die Grenze, die Falke auf die Zeit um 600
n. Chr. festlegt, ist allerdings klar, fast auf-
dringlich gezeichnet durch die Derbheit und
Brutalität der Zeichnung, die dem Kari-
katurenstil stellenweise nicht sehr fern steht.
Während die Wirkereien Achmims in den
ersten fünf Jahunderten zumeist einfarbig
in quadratischer Form, und mit klassischen
Ornamentmotiven geschmückt, also helle-
nistisch beeinflußt sind, beginnt dasVI. Jahrh.
die Umzeichnung, indem aus den qua-
 
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