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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Witte, Fritz: Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0065

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103

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

104

Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie.

(Mit 3 Abbildungen.)

ine ganz weitschichtige Literatur
hat sich angesammelt, die sich
mit der Lösung des großen
Gralrätsels befaßt. Einmal hat
man Versuche gemacht, die Gestalt des
Grales zu rekonstruieren, dann auch —
und dieser Versuch geht auf die weit bedeut-
samere Frage —, den Ursprung der Gral-
sage zu ergründen. Der Sache gingen bis-
lang die Germanisten am tiefsten auf den
Grund, indem sie die historischen Faktoren
mit zu Rate zogen; auch die Archäologen,
vereinzelt auch die Liturgieforscher, faßten
die Sage an, blieben aber zumeist an der
Oberfläche, da ihnen immer wieder dieselben
Details als Anhaltspunkt dienten, und sie
einzig an die Schilderungen des jüngeren
Titurel sich klammerten. Was Wolfram von
Eschenbach uns vorführt, ist, wie es wenig-
stens scheint, in ganz bewußter Weise vom
Original der Sage weit entfernt und auf den
Ton des ritterlichen Epos umgestimmt.

Neuerdings haben v. Schroeder und
V. Junk1) die Gralfrage aufgegriffen, und
v. Schroeder hat die Vorstellung vom Gral
mit der von der Kommunion der christlichen
Kirche in Verbindung gebracht. Aber er
sowohl wie Junk legen den Nachdruck auf
scheinbare Anklänge an alte, vornehmlich
bretonische Märchen. Junk wundert sich
darüber, wie in den alten Mythus die Vor-
stellung vom Gral als einem Steine bei
Wolfram von Eschenbach hineingetragen
werden konnte, und meint, von hier aus
könne die Gralsage nicht erklärt werden.
Ich will wenigstens ein Verschmelzen des
alten Märchen vom ,,Tischlein-deck-dich"
und dem bretonischen Helden Perounik, den
Junk mit Parzifal identifizieren zu dürfen
glaubt, nicht von vorneherein leugnen. So-
fern aber der Gral als solcher als Mittel-
punkt der ganzen Sage fernerhin angesehen
werden soll, stehe ich nicht an, auf den
christlichen Charakter der Sage den Haupt-
nachdruck zu legen und die urchristlichen
Vorstellungen zum mindesten als Ausgangs-
oder besser gesagt Kristallisationspunkt des

') V. Junk, »Gralsage und Graldichtung des Mittel-
alters«. (Wien 1911.) — L. v. Schroeder, »Die
Wurzeln der Sage vom hl. Gral«. 1910.

dichten Sagengewebes nachdrücklichst an-
zusprechen. Ich glaube, es genügt nicht,
um an die Lösung des Gralrätsels mit Aus-
sicht auf Erfolg herantreten zu können,
Germanist und Historiker zu sein, hier ist
in erster Linie auch der Archäologe und
Liturgiker berufen, nach dem Woher zu
suchen.

Demjenigen, der einer Verfolgung der
Entwicklungsgeschichte der liturgischen Ge-
räte und ihrer Verwendung in der Liturgie
ernstlich und offenen Auges nähertritt, wird
den Parzifal Wolframs von Eschenbach mit
ganz anderen Augen ansehen, besonders im
5. Buche „Parzifal kommt zum Gral". Ich
stehe nicht an, vorweg zu erklären, daß
dieses 5. Buch im weitgespannten Rahmen
der ganzen Sage nichts mehr und nichts
weniger ist als der dichterische Niederschlag
einer vom Verfasser Wolfram, vielleicht auch
bereits von seinem Gewährsmann nicht völlig
mehr verstandenen liturgischen Handlung.
Für mich ist der Gralsucher Parzifal
der die Aufnahme in die christliche
Gemeinschaft nachsuchende Mensch,
der in die Tafelrunde Christi aufgenommen zu
werden sich bemüht. Parzifals Teilnahme an
der Festsitzung im „Saale", das Umzeigen
der blutigen Lanze, das Erscheinen des Gral,
die daran anknüpfende Speisung vom Gral
und das beschließende Mahl, alle diese Er-
eignisse sind verstümmelte Darstellungen der
verschiedenen Etappen eines christlichen und
zwar frühchristlichen Meßopfers mit Kom-
munion und des beschließenden Antidor
(Eulogium), in dem wir vielleicht den letzten
Rest der frühchristlichen Agapen oder Liebes-
mahle erblicken dürfen. Wenn im folgenden
der Versuch gemacht wird, den historischen
Zusammenhang der Gralsage mit der früh-
christlichen Liturgie weiter zu klären, so ist
der Verfasser sich vollauf bewußt, daß er
nur einige überraschende Tatsachen hin-
werfen kann, die aber immerhin den Anstrich
einer gewissen Selbstverständlichkeit mit-
bringen dürften. Eine erschöpfende Parallel-
stellung wird ein befreundeter Germanist
demnächst versuchen.

„Kyot der meister wol bekannt

ze Dolet (Toledo) verworfen ligen vant
 
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