Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Meier, Burkhard: Das Grabmal des Bischofs Rotho im Dom zu Paderborn
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0064

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10t

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST -■ Nr. 4.

102

1399 das Denkmal gestiftet hat. Zuerst fiel
mir diese Angabe im „Handbuch" Dehios auf;
in der Überzeugung, daß sie irrtümlich sei,
und bestrebt, einen kleinen Beitrag zur
Geschichte der menschlichen Irrtümer zu
leisten, ging ich der Entstehung dieses
Irrtums nach; ich fand ihn bei Stolte10),
Lotz11), Lübke12), bei Rosenkranz1") und
Brand14, bei G. J. Bessen15) und schließlich bei
Michael Strunck10); diese beiden nennen das
Jahr 1400. Beim Jahre 1715, in dem Strunck
sein Buch herausgab, mußte ich notgedrungen
halt machen. Nirgends fand sich eine
Quellenangabe, und es bleibt nichts übrig, als
anzunehmen, daß Strunck aus den genea-
logischen Arbeiten des Jesuiten Moritz von
Büren geschöpft hat, die er auch zitiert,
oder aus dem seltenen und mir nicht zugäng-
lich gewordenen Werk des Scioppius, der
einen, wie Rosenkranz17) nachgewiesen hat,
zum Teil gefälschten Stammbaum der Büren
aufgestellt hat, um seinem Zögling Moritz den
Posten eines Präsidenten des Reichskammer-
gerichts zu verschaffen, was ihm dann auch
glücklich gelungen istls). Es ist also nicht
unmöglich, daß Scioppius ohne weiteres den
Domherrn Heinrich von Büren, der der-
selben Linie wie Moritz angehörte, mit der
• Errichtung des Denkmals betraut hat.

Bei Strunck wird man für seine Mühe
belohnt durch eine genaue Beschreibung des
Denkmals, die erschöpfender ist als alle
späteren. Er gibt als einziger die Inschrift
an, die sich auf der Bandrolle befindet,
welche um den Rundstab, der die untere
Kante des Sarkophags verziert, herum-
gewickelt ist; sie nennt die Namen der an
den Sarkophagwänden Dargestellten:

6". Leo huius ecclesiae consecrator — 6". Libo-
rius huius ecclesiae patronus — S. Maria patrona

i») »Westfäl. Zeitschr.« 62 S. 115. Hier eine ein-
gehende und zuverlässige Beschreibung des Paderborner
Domes und seiner Kunstschätze.

11) »Kunsttopographie« 1862.

12) »Die m.-a. Kunst in Westfalen« 1853 S. 379.

13) a. a. O. S. 130.

") »Der Dom zu Paderborn« 1827.

15) »Geschichte des Bistums Paderborn« 1820
S. 140.

16) a. a. O. S. 277.
") a. a. O. S. 176.

I8) Gasparis Scioppii Stemma familiae Bürensis.
Mediolano 1629. — Die Arbeiten Moritz von Bürens
sind meines Wissens nicht veröffentlicht.

— iS1. Kilianus patronus — B. Meinwercus tepa-
ralor — S. Karolus fundator huius ecclesiae19).

Seine weitere Beschreibung sei wörtlich
wiedergegeben: Circum Rothonis pulvillo
incumbentis caput etiam circumducti sunt
radii, quales in Ss. imaginibus passim depingi
solent. Apposita est statua B. Virginis, ad
cuius dexterum latus procumbit B. Rothonis
pater adjecto signo gentilitio Baronum de
Büren; ad sinistrum eiusdem mater, in cuius
scuto insculpta est rosa; unde forsan liceret
conjicere, eam ex prosapia comitum Lippien-
sium ortam esse.

Die Strahlen, die das Haupt des Bischofs
umgeben, werden wohl eine barocke Zutat
gewesen sein; heute sind sie verschwunden.
Wichtiger ist die Mitteilung, daß auf der
linken Seite der Jungfrau der Stifter gekniet
hat, von dessen ehemaligem Vorhandensein
wir sonst keine Kunde haben. Strunck hält
die Stifter verzeihlicherweise für die Eltern
Bischof Rothos; wir wissen jetzt, daß es
Wilhelm von Büren und Irmgard zur Lippe
waren, die das Denkmal um die Mitte des
XV. Jahrh. setzen ließen.

Nachschrift: Erst nach Drucklegung
meiner Studie gelang es mir, das oben zitierte
genealogische Werk des Scioppius einzu-
sehen; mein Verdacht, daß er das falsche
Datum 1399 erfunden hat, bestätigt sich
nicht und das Entstehen dieses Irrtums
muß demnach unaufgeklärt bleiben. — Dem
Paderborner Grabe im Aufbau verwandt
sind neben den genannten italienischen auch
französische Denkmäler, von denen Viollet-le-
Duc in seinem ,,Dictionnaire raisonne de
farchitecture" Bd. IX Artikel: tombeau
einige interessante Beispiele abbildet; doch
befinden sich keine darunter, die dem Pader-
borner Denkmal besonders nahe stehen. Als
Vorstufe des in Paderborn auftretenden Grab-
maltypus kämen vielleicht Grabmäler mit zu-
gehörigen Wandmalereien in Betracht, wie
das des Bischofs Cuno (fl388) in St. Castor
zu Koblenz; doch ist es natürlich mehr als
fraglich, ob von da aus eine selbständige
Entwicklung bis zum Paderborner Typus
angenommen werden darf.

Münster i. W. Burkhard Meier.

19) Ich habe die Richtigkeit nicht an Ort und
Stelle nachprüfen können.
 
Annotationen