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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Meier, Burkhard: Das Grabmal des Bischofs Rotho im Dom zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0063

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99

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

100

Familie errichtete es zur höheren Ehre seines
Geschlechtes; es ist in erster Linie ein Denk-
mal des Familienstolzes.

Es kommt nun darauf an, den Richtigen
aus dieser weitverzweigten Familie heraus-
zugreifen, um damit zugleich einen Anhalts-
punkt zur Datierung des Denkmals zu ge-
winnen. Einen Fingerzeig bietet in Ermange-
lung sonstiger Inschriften das Wappen der
Dame, die vor der Madonna kniet: es zeigt
eine einzelne große Rose, also muß die In-
haberin dem Lippeschen Geschlechte an-
gehören. Einen Büren, der mit einer zur
Lippe verheiratet war, wird man unter den
westfälischen Linien vergeblich suchen, aber
in einem holländischen Geschlechte gleichen
Namens gibt es einen Wilhelm, Herrn von
Büren und Büsighem, der eine Irmgard von
der Lippe zur Frau hatte4). In den „Lippe-
schen Regesten"5) tritt er zweimal auf:
unterm 28. Nov. 1428 wird der Ehevertrag
zwischen ihm und seinen Schwägern, den
Edelherren Simon und Otto zur Lippe, den
Söhnen Bernhards VI., errichtet; unterm
10. März 1444 ersucht Wilhelm den Rat der
Stadt Köln, ihm diejenigen Weine verab-
folgen zu lassen, welche zu seines verstorbe-
nen Schwagers Otto von der Lippe, Dom-
küsters zu Köln, Rente zu Unkel gehört habe.
Seine Hausfrau und „Gesellyne" sei Ottos
einzige rechte Schwester. Und schließlich
werden die Ehegatten bei Fahne6), allerdings
ohne Quellenangabe, in Verbindung mit
dem Jahre 1457 erwähnt.

Ihre Existenz ist demnach genügend
beglaubigt, und nichts ist natürlicher als die
Annahme, daß Wilhelm und Irmgard das
Grabmal des Rotho errichtet haben, und
sicherlich eher am Ende als am Beginn ihrer
Ehe, wie es denn in der menschlichen Natur
begründet liegt, daß erst im Alter solche
frommen Stiftergedanken kommen. Man
möchte sogar meinen, daß erst nach Wilhelms
Tode das Denkmal gesetzt sei, da nur die
Gattin dargestellt ist, doch wäre das, wie
wir gleich sehen werden, ein Fehlschluß.

Auch aus dem Wappen, das in dem Klee-
blattbogen sitzt und einen oben viermal, unten

4) Über diese verdanke ich dem Fürstl. Lippeschen
Hausarchiv zu Detmold liebenswürdige Auskunft.

5) Bearbeitet von Preuli und Falk mann III.
186ö, Nr. 1890 u. 2526.

6) »Geschichte der Westfälischen Geschlechtern
1858. S. 84.

dreimal gezinnten Balken führt, geht un-
zweifelhaft hervor, daß wir es hier mit den
holländischen Büren zu tun haben, denn aus-
schließlich diese, der Calbeecksche Zweig in
der Provinz Geldern und der Reygersvoort-
sche in der Provinz Utrecht, führen es7).
Die holländischen und westfälischen Büren
nannten sich Vettern und führten ihren Ur-
sprung über Rotho hinaus auf einen im
Nebel der Sage sich verlierenden Urahn
zurück und beide Zweige sahen in Bischof
Rotho den erlauchtesten Sproß ihrer Familie.
Da erscheint es durchaus nicht so fernliegend,
wenn ihm der holländische Wilhelm ein
Denkmal errichtet, zumal es den westfälischen
Büren fortgesetzt schlecht ging und wir von
wiederholten Güterverkäufen und Verpfän-
dungen an die Bischöfe von Münster und
Paderborn hören; erst seit der Mitte des
XV. Jahrh. tritt eine Besserung ihrer Ver-
hältnisse ein8).

Mit einer Ansetzung des Denkmals um
die Mitte des XV. Jahrh. stimmen vorzüglich
seine künstlerischen Merkmale; es steht auf
der Grenze des weichen, fließenden und des
scharfen, eckigen Stiles. Der feineren Weich-
heit der Formen, der graziösen, leicht be-
schwingten Haltung und dem zarten Aus-
druck der Gesichter tritt schon in den Falten
das Umbrechen, das knisternde Knicken und
die Bildung der dreieckigen Schilde beim
Zusammentreffen mehrerer Falten entgegen.
Auch die Tracht der Dame, insbesondere
der Kopfputz mit der Haarfrisur auf Bur-
gunder Art, gehört der Zeit an.

Arbeiten desselben feinen Künstlers ver-
mochte ich bislang in der Nachbarschaft
nicht zu finden; ihn gleich seinem Auftrag-
geber für einen Holländer zu halten, fehlen
jedoch greifbare Anhaltspunkte. Zwei offen-
bare, aber ziemlich mäßige Schul werke findet
man im Paderborner Domkreuzgang, ein-
fache, bescheidene Epitaphe der Kanoniker
Otto von Twiste und Hermann Openhusen9);
beide starben 1461, eine weitere Stütze für
die richtige Datierung des Rothograbes.

Warum werden nun scheinbar so selbst-
verständliche Dinge hier in aller Breite er-
örtert? — weil allüberall zu lesen steht, daß
der Domherr Heinrich von Büren im Jahre

') Rietstap »Armorial general«.

8) Rosenkranz in»\Vestfäl. Ztschr.« 8 S. 125 ff.

9) Ludorff a. a. O. Tat. 42 (2 u. 3)
 
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