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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Witte, Fritz: Über die Behandlung alter Paramente und ihre eventuelle Restaurierung
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Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0118

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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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hin zu geben, wo man ihnen ein Altersheim
und zugleich einen Lehrstuhl gebaut hat, in
die Museen. Dort dienen sie nicht nur der
Neugier der Besucher, sondern auch dem
Studium der Forscher und, was für die Kirche
wahrhaft wichtig genug ist, sie werden als
Studienmaterial erneut der Liturgie dienst-
bar gemacht als Lehr- und Lernstücke für
eine neue Blüte der kirchlichen Webe- und
Stickkunst, und die tut uns wahrlich not.
Der eine Pfarrer sage es dem anderen, und

keiner von ihnen gebe leichtfertig alte Para-
mente in die Hände irgendeines ihm be-
kannten Geschäftes zur Restauration. Im
günstigsten Falle erreicht er nichts, in weit-
aus den meisten Fällen wird er eine kostbare
Reliquie ihres Wertes berauben. Fragen kostet
nichts und schützt hier, wie so oft, vor Ent-
gleisungen, die nachher gereuen. Jeder Geist-
liche bekleidet das Ehrenamt eines Konser-
vators seiner Kirchenschätze.

Köln. Witte.

Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig.

(Mit 2 Abbildungen.)

ie in der alten Meß- und Univer-
sitätsstadt Leipzig seit Frühling
dieses Jahres eröffnete „Inter-
nationale Baufach - Ausstellung'',
die auf dem speziellen Gebiete des Baufaches
mit Recht Anspruch auf den Namen einer
Weltausstellung erhebt, ist dankenswerter
Weise auch nicht an den Beziehungen vor-
übergegangen, die zwischen dem Bauwesen
einerseits und ländlicher Bau- und Wohn-
kultur andererseits bestehen.

In einer ihrer Abteilungen; dem soge-
nannten „Dörfchen" *), demonstriert sie Fach-
leuten wie Laien mit der Eindringlichkeit
und Anschaulichkeit eines instruktiven Lehr-
mittels, was moderne, ländliche Baukunst
vermag, wenn sie von allem Import städ-
tischer Baukultur absieht und sich lediglich
an die individuellen alten Gestaltungen auf
baulichem Gebiete hält, indem sie diesen
das Heimatechte entnimmt und mit den
Forderungen der neuen Zeit zu verbinden
sucht.

Unser Ausstellungsdörfchen liegt zwar in
unmittelbarer Nähe des „Erholungsparkes",
darf aber deshalb ja nicht etwa als ein
Abteil dieses mehr der dionysischen Lebens-
auffassung dienenden Ausstellungsbezirkes
angesprochen werden. Schon bei einem
flüchtigen Durchschreiten merkt man, daß
es ernst genommen sein will, und daß der
Architekt, der es projektierte und aus-
geführt hat, auch den leisesten Anflug
theaterhafter Scheinarchitektur, wie sie die

') Wir schließen uns hier der Bezeichnung an, die
der Ausstellungskatalog für die „Baugruppe" wählte.
„Dorfaue" wäre angemessener.

„Dörfer" älterer Ausstellungen trugen, auf
das peinlichste vermieden hat.

Das gilt ganz besonders von dem länd-
lichen Bauwerk, das in erster Linie ein Dorf-
bild bestimmt, der Kirche. Wenn ein
halbwegs empfindsames Auge in diejenigen
unserer deutschen Landschaften, die durch
die Eisenbahnen in den allgemeinen Verkehr
einbezogen sind, nach ländlichen Kirchen
sucht, so hält er in den weitaus meisten
Fällen vergeblich Ausschau. Nicht jene
altersgrauen, in Baum- und Buschwerk ein-
gebetteten Dorfkirchlein sieht er mehr, die
in all ihrer Schlichtheit doch Trägerin echten,
tiefen religiösen Lebens waren, und die in der
Erinnerung jedes tiefer fühlenden Menschen,
mag ihn das Leben auch noch so weit und
noch so hoch hinweggehoben haben über
das Stück Heimaterde, auf der sein Kirch-
lein stand, wiederklingen wie ein alter trauter
Kinderreim. Dafür schlägt ihm aber fast
immer ein und dasselbe Schema klatschend
ins Gesicht, ein aus Back- oder auch aus
Werkstein errichtetes Bauwerk, das die Bau-
gewerbsgotik der „modernen" Stadtkirche
kopiert hat, und das von der Turmspitze
herunter bis in den letzten Winkel hinein
den Stempel seelenlosester Gleichmacherei
und öder Uniformität trägt. Als ob man
verschiedene Ausgaben der bekannten Anker-
steinbaukasten zur Stelle gehabt und je nach
dem Größenbedürfnis eine kleine oder größere
Steinkiste aufgebaut hätte. Und welcher
reiche Wechsel im Ausdruck ließe sich schon
mit Hinblick auf die verschiedenen boden-
ständigen Baumaterialen (Werkstein-, Ziegel-,
Putz-, Fachwerkbau, letzteren wieder mit
 
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