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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Witte, Fritz: Über die Behandlung alter Paramente und ihre eventuelle Restaurierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0114

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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Ni 7.

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Über die Behandlung alter Paramente und ihre eventuelle Restaurierung.

ast jeder Museumsbeamte wird
von Zeit zu Zeit das Trauerspiel
erleben, daß ihm zum Zweck des
Ankaufes oder zur Begutachtung
alte kirchliche Gebrauchsgegenstände vorge-
legt werden, die in den letzten Dezennien
durch die Hand eines unfähigen oder ge-
wissenlosen Restaurators entweder ganz ver-
dorben, oder zum mindesten ihres Wertes
um ein gut Stück beraubt wurden. Nirgends
ist da mehr gesündigt worden und wird noch
heute hundertfach gefehlt, als an den alten
Paramentenschätzen. Es wäre ja doch
zwecklos, wollten wir ein altes Klagelied
wiederholen darüber, daß Hunderte von Meß-
gewändern usf. in die Hände von Händlern
gelangt sind, die ohne jedes Verständnis
an die oft wertvollen Stickereien Hand an-
legten, sie abtrennten von ihrem Grundstoff,
letzteren zu Möbelüberzügen verarbeiteten,
die Stickereien aber für Sofakissen oder
zum Schmucke anderen Tandes hergaben.
Ich mußte einmal sehen, wie im Wohn-
zimmer eines jüdischen Antiquars die Decke
eines solchen Sofakissens hergestellt war aus
— dem Mittelstück eines Segensvelums!
Die Spange desselben benutzte die Haus-
frau zur Befestigung ihres Pelzes. Der
brave Händler war anständig genug,
mir die Stickerei, die nota bene nicht einmal
alt war, um ein Geringes auszuliefern, als
ich bedeutete, wie verletzend es für uns sei,
kirchliche Gegenstände in solchem Gebrauche
zu sehen. Scharfe kirchliche Verordnungen
haben hier bereits Besserung geschaffen, und
Fälle wie der genannte, wird man in Zu-
kunft hoffentlich zu den Seltenheiten rechnen
dürfen. Wir verstehen es, wenn der Pfarr-
herr hin und wieder Umschau hält unter
seinen Paramenten und dafür sorgt, daß
alle in brauchbarem Zustande sich befinden.
Die Sakristei ist kein Museum, in dem
Kuriositäten und Seltenheiten aufbewahrt
werden. Zudem dürfte für manche alte
Arbeit schon deswegen die Instandhaltung
sich empfehlen, weil den im Gebrauch be-
findlichen Gewändern eine größere Aufmerk-
samkeit zuteil zu werden pflegt, als den
ausrangierten. Über die Zeiten sind wir
glücklich hinweg, in denen man barocke
Gewänder als häßlich beiseite legte oder

gar aus den Sakristeien verbannte. Restau-
rationen bzw. Instandsetzungen werden sich
somit gar nicht vermeiden lassen. Handelt
es sich um wirklich wertvolle, aus dem
Mittelalter stammende Paramente — und
ihre Zahl ist glücklicherweise noch nicht
gering —, so sollte der Pfarrer unter allen
Umständen sich des Gutachtens der Sach-
verständigen versichern, bevor er an eine
etwa notwendige Restauration herantritt.
Letztere kann unter Umständen bedingungs-
los zu verwerfen sein, wenn nämlich das in
Frage kommende Gewandstück durch sein
besonders hohes Alter oder die hervorragende
Qualität und Seltenheit des Grundstoffes
oder der Stickerei als Dokument zu betrachten
wäre, und durch die Restauration der aus-
gesprochene Charakter der Stickerei in Frage
gestellt werden würde. Wo es sich um
geringfügige Schutzmaßnahmen handelt, um
die Befestigung locker gewordener Fäden
oder etwa gestickter Bilder, ist die sorgfäl-
tige Sicherung des Vorhandenen unter allen
Umständen zu empfehlen. Anders dagegen,
wenn beispielsweise bei einer reichen Figuren-
kasel des Mittelalters, wie das häufig zu be-
obachten ist, die bestickten Gesichtsflächen der
Heiligenbilder verschlissen, oder einzelne
Gewandpartien vollkommen verschwunden
sind. In diesen Fällen würde die- Wieder-
herstellung, selbst wenn sie durch die Hand
einer geschickten Stickerin geschähe, eine
Neuarbeit bedeuten, dem Gewände den
Wert eines Dokumentes nehmen und des-
halb bedingungslos zu verwerfen sein. Die
Fleischteile dieser meist der Spätgotik
entstammenden Gewandstickereien sind viel-
fach in der Zeichnung von Augen, Mund,
Nase usf. mit schwarzen Seidenfäden herge-
stellt und gerade dadurch der Zerstörung
eher anheimgefallen als die großen Flächen
der Gewänder. Die schwarze Seide des
Mittelalters, besonders die schwarze Stick-
wolle, war wie auch vielfach heute noch,
unstark, da das Färbungsverfahren das
Material angriff.

Verhältnismäßig oft stoßen wir in Deutsch-
land auf alte Paramente, deren Schmuck
durch sogenannte Kölner Borten gebildet
wird, Streifen mit meist regelmäßig sich
wiederholenden Schmuckstücken oder mit
 
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