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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schneider, Franz: Theresienstift zu Listernohl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0015
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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr

Diese Geringschätzung der Holzarchitektur mag aus dem Anfang des vorigen
Jahrhunderts herrühren, als bei dem aus der damaligen Stilauffassung hervorgehen-
den Bestreben, alles zu antikisieren, die Venrrungen soweit gingen, die Außenwände
vieler herrlicher mit reichem bemaltem Schnitzwerk verzierter Holzhäuser mit einer
Putzschicht zu überziehen und auf diese Marmor zu malen, während die besonders
schön geschnitzten Tür- und Fensterpfosten mit aus Brettern hergestellten mißver-
standenen Nachbildungen antiker Marmor- Fenster- und -Türgewände und Gesims-
verdachungen verkleidet und dann ebenfalls marmorartig bemalt wurden.

Hie und da gelang es sogar, durch derartige Vergewaltigungen den alten

Häusern ein vornehmes, ruhig wir-
kendes Aussehen zu geben, weil
die alten Bauten hinsichtlich ihrer
Hauptabmessungen wie Flächen-
aufteilung gut proportioniert
waren; dagegen wurde anderseits
durch die deplazierte Verkleiste-
rung mit antiken Stemarchitektur-
Motiven, nicht nur enorm viel
Schönes den Blicken entzogen,
sondern der infolgedessen immer
größer werdende Mangel an An-
regungen für die Pflege des Fach-
werkbaues führte schließlich zu
einem gänzlichen Verfall der alten
deutschen Zimmermannskunst.
So kam es denn, daß die Fachwerk-
häuser aus der Zeit von etwa 1810
bis in die Gegenwart nüchterne,
reizlose Kästen sind, die nicht
einmal Verständnis für gesunde
Konstruktionen und Holzverbin-
dungen zeigen. Erst in neuerer
Zeit beginnt man allmählich auch
unserer alten Holzbaukunst Inter-
esse und vereinzelt sogar einiges
Verständnis entgegen zubringen. Alle deutschen Lande — auch das Sauer-
land — verdanken dieser Bauweise noch herrliche Einzelgehöfte wie ganze
Dörfer und Städte, welche infolge ihrer bodenständigen Entwicklung — einer
guten Anpassung an die praktischen Bedürfnisse wie jeweiligen klimatischen
und landschaftlichen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Gegenden — den
Reiz einer schönen Landschaft nicht nur wesentlich erhöhen, sondern ihn manch-
mal erst durch die geschickte Verbindung der Bauten mit ihrer Umgebung hervor-
rufen. Wer ferner die herrlichen alten Städte, wie Braunschweig, Hildesheim,
Miltenberg, Rothenburg und viele andere mit ihren überaus prächtigen Fachwerk-
Bürgerhäusern und endlich die aus Holz erbauten stolzen Rathäuser in allen Teilen
Deutschlands kennt, dem wird die altdeutsche Holzbaukunst nicht nur Respekt
einflößen, sondern höchste Bewunderung abringen.

Abb. 2.

Situationsplan.
 
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