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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Creutz, Max: Der Frankfurter Kreuzigungsaltar
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0022
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Nr. 1_____________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.____________]J

DER FRANKFURTER
KREUZIGUNGSALTAR.

Mit Tafel I und 3 Abbildungen.

Die Städtische Skulpturensammlung zu Frankfurt erwarb eine Gruppe goti-
scher Skulpturen, einen Kreuzigungsaltar und Seitenfiguren von Aposteln,
deren italienische Herkunft und deutsche Verwandtschaft zu wichtigen
Bindegliedern alter Kulturzusammenhänge werden (Taf. 1, Abb. 2 u. 3). Handelt
es sich beim Schöpfer dieser Skulpturen um einen Deutschen, der auf italienischem
Boden fremden Einflüssen zugänglich war oder hat ein Italiener wesentliche Ele-
mente der fremden nordischen Kunst zu erfassen und darzustellen vermocht.
Aller Erfahrung nach ist die erste Annahme zutreffender, denn stets war es deutsche
Eigenart, fremde Einflüsse mit neuem Leben zu durchsetzen. Swarzenski, der
den Altar zuerst veröffentlichte (Die Rheinlande, 1914, XII) und auch die vor-
liegenden Abbildungen freundlichst zur Verfügung stellte, nimmt die Skulpturen
für den rheinischen Westen in Anspruch; er glaubt sogar in der Künstler-
geschichte Ghibertis einen Meister Guswin oder Goswin aus Köln zu erkennen,
wobei Köln nur allgemein als Zentrum im Wirken des Meisters zu gelten hätte.
In der Tat findet sich gleich in Köln in der Sammlung Alexander Schnütgens
die Figur eines heiligen Johannes aus Marmor, die starke Zusammenhänge mit
den Frankfurter Skulpturen aufweist und als ein Werk dieses Kunstkreises an-
gesprochen werden muß (Abb. 1). Ihre Erwerbung in Köln sagt nichts über ihren
Ursprung, sie erschien immer wie ein Fremdling auf diesem Boden. Mehr noch
dachte man an Westfalen und dorthin weisen verschiedene Spuren der Werkstatt
des Meisters. Auffallend bei dieser Skulptur sind die metallisch gearbeiteten
Korkzieherlocken, der Reichtum der Gewandfältelung, die Faltenbündel zur Seite,
die in starker Licht- und Schattenwirkung ganz auf Vorderansicht und bild-
artige Wirkung berechnet sind. Hier liegt das wesentliche Wirkungselement im
Gesamtaufbau auch des Frankfurter Kreuzigungsaltares. Dort ist der Gruppen-
aufbau gleichfalls völlig beherrscht durch die bildmäßige Anschauung, die im
Anfang des XV. Jahrh. im Süden wie im Norden, auch für die Plastik allgemeine
Geltung gewann. Die Größenmaße rücken die Gestalten aus der Raumsphäre der
Architektur in menschliche Augenhöhe. Damit erscheint Aufbau und Zusammen-
hang einer ideellen Bildsphäre erstrebenswert. Die seitlichen Gruppen sind im
Charakter der zeitgenössischen Malerei gehalten. Ihre reiche Gewandfältelung
wirkt hier durch das Helldunkel des lichten Materiales noch besonders malerisch.
Und bis in alle Einzelheiten ist in der Behandlung der Tracht der gefältelten Ge-
wandsäume, der Durchführung der Evangelistensymbole, der Rankenborte des
Hauptkreuzes und nicht zuletzt in der dunklen Äderung des Marmors eine starke
Licht- und Schattenwirkung angestrebt. Der Glanz des Lichtes in der Model-
lierung der Körper, den Graten der Gewandfalten, ihren Rhythmen und Modu-
lationen verleiht diesen Skulpturen ihren eigentlichen Reiz. Und wenn man auf
eine Verwandtschaft mit der Goldschmiedekunst hinwies, so ist gerade diese
Kunstübung in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, weil Glanz und
Leuchtkraft des Goldes die vornehmste künstlerische Eigenschaft des Malerischen,
als Auflösung der festen Umrisse durch Glanzlichter und Spiegelung bedeutet.
 
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