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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Haupt, Richard: Reliquiengefässe aus Altären
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0042

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2/3

bezeichnet war. In der Höhlung, die lediglich dadurch gebildet war, daß dem
Binder der hintere Teil fehlte, war ein Glasgefäß geborgen, aufrecht stehend. Der
Stoff grünliches Glas, in hübscher Form: der Körper schwach ausgebaucht, unter
der Öffnung schwach eingezogen, schmaler Fuß, der Boden kegelförmig hinauf-
gedrückt. Um den Körper einige Glasfäden angeschmolzen, zum Teil mit Ver-
dickungen. Gedeckelt war das Gefäß mit einer Scheibe Wachs, ohne jedes Zeichen,
die am Rande über den Hals übergeklebt war. Das Wachs war mürbe, aber der
Deckel war ganz erhalten und augenscheinlich unberührt. Er zerbrach schnell in
Stücke; diese sind nachher wieder fest geworden.

Innen waren zwei kleine in Beutelchen gefaltene und zugebundene Seiden-
lappen, der Stoff hellbraun. Keinerlei Schriften, aber ein wächsernes Siegel. Dessen
Erhaltung ist nicht gut; doch ist das Wappenschild, ein halbes Reh oder Lamm,
deutlich genug. Die Umschrift zeigt spätgotische Minuskeln, und das Hauptbild,
zu dessen Füßen jenes Wappenschild angebracht ist, hat, nach Vergleichung mit
den anderen des Ratzeburger Bistums, die Mutter Gottes dargestellt, in einer altar-
ähnlichen Architektur. Das Siegel ist, nach der Beschreibung im Mecklen-
burgischen Urkundenbuche, das des Bischofs Johann Stalkoper (1466—1470).

Ein ganz ähnliches Glas ist aus St. Nicolai zu Wismar, 1459 vom Bischof
Johannes von Ratzeburg eingesetzt. Es enthielt eine Urkunde mit wächsernem
Siegel und zwei Reliquien samt den pergamentenen Streifen. Schlie, Meckl. Inv. 2,
134. Meckl. Jahrb., Jahresber. 3, 90. — Ferner ist zu Wittenburg ein Glasgefäß
von der Form einer glatten breiten kurzen Flasche erhoben worden, darinnen das
Siegel des Bischofs Ulrich von Ratzeburg (1257—1284); die zugehörige Urkunde
hat sich nicht gefunden. Schlie 3, 54. Meckl. Jahrb. 12, 448. — Weiter zu Leussow
ein Glas des Bischofs Joh. v. Parkenthin (1479—1511). Dieses ist mit Buckeln ver-
ziert und enthielt Reliquienreste sowie das von einer vermoderten Urkunde übrig
gebliebene Siegel des Bischofs. Auch es war mit einer wächsernen Platte gedeckelt.
Merkwürdig aber war, daß es zum Schutze wieder einen Behälter aus Holz hatte.

Es sind also alle bislang bekannten Gefäße aus dem Ratzeburgischen Sprengel
gläsern gewesen, und wohl auch alle hatten Wachsdeckel: Fast alle sind aus
spätem Mittelalter; aber durch das Wittenburger Glas ist angedeutet, daß der
Gebrauch in viel früherer Zeit seine Wurzel hat.

Gleichartig dem Leussower Glase ist das aus Röbel von 1490. Die Röbeler
Neustadt mit der Nicolaikirche, aus der es stammt, gehört zum Bistum Havelberg,
und so ist die einliegende Urkunde von einem Havelbergischen Weihbischof aus-
gestellt. Die Reliquien waren vergangen. Schlie 5, 501. Meckl. Jahrb. 33, 151.

r ür Brudersdorf, im Bistum Cammin, hatte man, in Ermangelung eines Gefäßes,
einen Ersatz aus Wachs geformt; darinnen war, außer den sieben für sich einge-
beutelten und in gemeinsamen Beutel gefaßten Reliquien, ein loses Siegel, ohne Ur-
kunde wie zu Grambeck, und der Zeit um 1300 zuzuschreiben. Meckl. Jahrb.42, 188.

Zu Büsum in Dithmarschen im Hamburgischen Sprengel fand sich 1912 im
Altare ein tönernes Gefäß. Da die Kirche im XV. Jahrh. erbaut ist, wird es aus
derselben Zeit stammen. Es ist aber verstümmelt und die abgebrochenen Scherben
lagen nicht bei. So ist anzunehmen, daß der Altar bereits einmal erbrochen war.
In der Urne lagen Knochensplitter, aber offenbar ohne Hülle, auch fehlte Schrift-
liches durchaus.

Preetz. Dr. Richard Haupt.
 
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