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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Klingelschmitt, Franz Theodor: Ein Kupferstich Dürers als Vorlage für eine Mainzer Stickerei
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Escherich, Mela: Studien zur seeschwäbischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0046

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34 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2/3

den die Gewissenhaftigkeit des Kopisten verlangte. Denn er ist sehr gewissenhaft.
Schon der Umstand, daß bei veränderter Verteilung doch an der Zahl der Pfeile
festgehalten ist, beweist das. Mehr noch tut es die völlige Gleichheit der Hände,
der anatomischen Durchbildung und des Schamtuches. Wo da überhaupt leise
Unterschiede vorhanden sind, wird man sie auf die Erfordernisse der Technik
zurückführen dürfen. Die scharfe Herausarbeitung des Thorax allein entspringt
einem fremden Formwollen. Dieses aber ist kein anderes als das spätgotische,
das sich deutlich auch in der Schmalheit des Beckens und der starken Einschnürung
der Taille offenbart. Wie hier und in der Bartlosigkeit die Macht der Über-
lieferung sich gegen die gewiß recht große Achtung vor der — vielleicht vom
Auftraggeber gelieferten — Vorlage durchsetzt, das ist höchst interessant. Und es
ist wichtig für die Feststellung der Entstehungszeit der Stickerei.

Dürers Stich wird vor 1497 angesetzt. Viel später kann nach den angeführten
Merkmalen die Kopie nicht entstanden sein. Das beweisen auch die anderen
Stickereien. Die Engel, die beim Kruzifixus der Kasel das Blut Christi auffangen,
sind noch spätgotische Diakonengel. Ein einwandfrei datiertes Beispiel dieser
Gattung in Mainz ist der Wappenengel von 1499 im Kreuzgang von St. Stephan,
an dem Grabmal Bertholds von Henneberg (j 1504) im Mainzer Dom erscheinen
schon Putten. Somit dürfte die Zeit von 1497—1500 wohl am ersten für die Ent-
stehung der Stickerei in Anspruch genommen werden dürfen.

Ist nun die Tatsache, daß und wie hier Dürer kopiert wird, allein schon sehr
interessant, so ist es noch mehr die, daß es so früh geschieht. Man wird nach
Kenntnis dieses Umstandes zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis des Frank-
furter Malers Martin Heß zu Dürer einer Neuprüfung unterziehen. Vielleicht hat
Rieffeil doch nicht so unrecht, wie Gebhardt5 glaubt, wenn er eine Berührung der
beiden Künstler am Mittelrhein in den neunziger Jahren annimmt. Wobei freilich
zu beachten wäre, daß sie wohl nur flüchtig war, und daß aus dem Vorhandensein
dieser Kopie ein Einfluß Dürers auf die mittelrheinische Malerei in dieser Zeit
nicht konstruiert werden kann. Sie bleibt im Banne des Hausbuchmeisters.
Mainz. Franz Theodor Klingelschmitt.

STUDIEN ZUR SEESCHWÄBISCHEN

MALEREI.

Man ist in der Kunstforschung gewohnt, zuerst die großen Persönlichkeiten
festzustellen und dann von ihnen aus vor- und rückwärts zu blicken. Von
Dürer zeitaufwärts suchend entdeckte man die französischen Primitiven,
von Grünewald aus die mittelrheinischen. Seit Konrad Witz mehr und mehr als
die größte Persönlichkeit des XV. Jahrhunderts in den Vordergrund tritt, wird es
Zeit, sich um die Seeschwaben zu kümmern. Merkwürdige Erscheinung, daß die-
jenige Kunst, die in Deutschland die älteste Tradition hat, — die Wellen des Boden-

1 Franz Rieffei, „Die freiherrlich von HolzhausenscheGemäldesammlung in der Städelschen
Galerie", Monatshefte für Kunstwissenschaft IV, Heft 8, S. 344/345.

5 Carl Gebhardt, „Frankfurter Maler des XV. u. XVI. Jahrh. Ebenda V. Heft 12,
S. 506 507. So scharf wie Gebhardt die These Rieffels formuliert, hat es dieser selbst übri-
gens nie getan.
 
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