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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Escherich, Mela: Studien zur seeschwäbischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0048
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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2/3

Zürich die Wandmalerei in hoher Blüte. Sie gewann der Gotik, die sonst — wo
eben die Monumentalmaler oder ihre Auftraggeber fehlten — als Verdrängenn
dieser Kunst im Verruf steht, genug Wandflächen ab und fand den Weg von der
Kirche ins Bürgerhaus. Dort als Bild der Andacht, hier als holder und phan-
tasieerregender Schmuck der guten Stube, stand sie in zweifachem Dienst der
religiösen und weltlichen Ansprüche.

Diese gleichzeitige Entwicklung der Sakral- und Profankunst macht sich
charakteristisch auch in der Buchmalerei bemerkbar. Im XIV. Jahrh. geraten
beide Künste in einen frischen Wetteifer, wobei die Buchmalerei sichtlich die
Führung übernimmt. Von den Wandgemälden der Reichenau zu denen des
Konstanzer Münsters wäre kein Übergang zu finden, wenn man den Weg nicht
durch die Buchmalerei nähme. Aus der Miniatur sind jene beiden Kreuzi-
gungen im Kapitelsaal und im Kreuzgang des Konstanzer
Münsters, an die Gramm5 Vergleiche mit der altkölnischen Schule knüpfte,
hervorgewachsen. Die Manessesche Handschrift, die aus Zürich
oder Konstanz stammt, die Biblia pauperum im Rosgartenmuseum und
die Weingartner Handschrift in Stuttgart, die beide bestimmt auf
Konstanz lokalisiert sind, standen Paten zu den reichen Wandmalereien in Kon-
stanz (Conradihaus, Montische Kurie, Dominikanerkloster), Dießenhofen, Winter-
thur, Burg b. Stein, Überlingen und anderen.

Im XV. Jahrh. greift, was wir am Niederrhein und sonst nicht finden,
die Wandmalerei Probleme an, die das Erscheinen einer neuen Kunstform an-
kündigen: Individualisierung der Köpfe, Eingehen auf Einzelheiten, Perspek-
tivenentwicklung und Landschaftsdarstellung. In der Nikolauslegende,
dem Wandgemäldezyklus in der Schatzkammer des Konstanzer
Münsters grüßt uns, verheißungsvoll die glänzende oberrheinische Land-
schaftskunst eröffnend, die erste Seelandschaft. Das Tafelbild kündigt sich an.
Die Erklärung, daß Aufgaben der Tafelmalerei durch die Wandmalerei begonnen
werden, findet sich dann, daß in Seeschwaben die Wandmalerei noch in hoher
Blüte stand, während das Tafelbild schon seinen Siegeszug begann. Ist doch der
Zyklus in der Augustinerkirche 1417, das bedeutendste Werk der Wandmalerei
des Jahrhunderts.

Das früheste Altarbild"', das Tutilo, ein Mönch von St. Gallen für das
Konstanzer Münster gemalt haben soll, ist verschollen. Man wird sich darunter
vielleicht eine bemalte Steinplatte vorstellen dürfen, wie sie zuweilen auch noch
im XIV. Jahrhundert über den Altären eingemauert wurden".

Die eigentliche Tafelmalerei beginnt später als am Niederrhein, erst
um die Wende des XIV. Jahrhunderts.

Eines der frühesten Werke ist der schöne Flügel im Rosgarten-
mus e u m zu Konstanz. „Vermählung Maria und Geburt Christi."
Ende XIV. Jahrhundert. Schlanke, edle Figuren. Gewandsäume und Haar mit
weißen Lichtern gehöht, Augäpfel in die Ecke gestellt. Neuer Stil, aber unter
den Eindrücken der lokalen Wand- und Buchmalerei entwickelt. Auf der Geburt

5 Joseph Gramm, Spätmittelalterliche Wandgemälde im Konstanzer Münster. Heitz,
Straßburg 1905.

8 D. Burkhardt, Studien zur Geschichte der altoberrheinischen Malerei. Jahrb. d.
pr. Kunstsamml. XXVII, 179. 1906.
 
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