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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Creutz, Max: Die frühromanischen Reliefs der alten Benediktinerabtei Brauweiler (mit Tafel 12)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0176

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 10

von der ottonischen zur streng romanischen Zeit. Die figürlichen Reliefs, der
Heiland und die Engel wachsen aus der ottonischen Elfenbeinplastik in der Art
der Punktierung der Gewandsäume und der bewegten Behandlung der Falten
heraus. Strenger sind bereits die Gestalten der Apostel in der stark linearen Be-
handlung der Gewandung. Stark ottonisch wirkt die Gestalt des Wassermannes
in flatterndem Obergewand in merkwürdig gespreizter Stellung. Er erinnert
an die Gestalten der Paradiesesflüsse, deren vollendetste Darstellung sich auf den
Goldrehefs des Gothaer Kodex befindet. Auch die primitiven Gestalten der
Zwillingsgruppe stehen den Miniaturen der Echternacher Schule nahe. Von dem
Relief der Jungfrau im Wallraf-Richartz-Museum konnte eine wirkungsvollere
Aufnahme hergestellt werden, wie diese Plastik überhaupt eine unmittelbare
Beurteilung ermöglicht. Als Symbole der Jungfräulichkeit hält die Gestalt in
erhobener Linken eine Lilie, in der Rechten einen Ring. Das Antlitz ist rundlich
herausgearbeitet, die Augen erscheinen kugelförmig, die Nase breit, die Lippen
wulstig. Auch diese Gestalt weist auf Zusammenhang mit dem Trier-Echter-
nacher Kunstkreise hin. Sehr verwandt sind nämlich die Gestalten der Weisheiten
auf dem nur in einer Zeichnung erhaltenen Folkardusbrunnen, der bis gegen das
Ende des XVII. Jahrh. im Maximinenkloster zu Trier vor dem Sommerrefektorium
aufgestellt war6.

Dieser Reliefstil ist für Anfang und zweite Hälfte des XI. Jahrh. charakte-
ristisch. Aus gleicher Zeit stammen die Reliefs der Mauntzkirche vor den Toren
von Münster, jetzt im dortigen Landesmuseum7 und die Rittergestalten am
Durchgang der St. Viktorkirche in Xanten mit gleicher Nischenbildung. Für
den flachen Reliefstil ist bisher das Portal von Remagen mit zahlreichen Tier-
bildern am bekanntesten. In der Sammlung Alexander Schnütgen befinden
sich zwei weitere Steinplatten dieser Zeit mit paarweise angeordneten Löwen
und zwei Männergestalten zur Seite eines Baumes. So rundet und vervollständigt
sich das Bild der frühmittelalterlichen Steinplastik, die aus der ottonischen Stein-
plastik in Gold, Bronze, Elfenbein herauswächst und sich allmählich in Stein,
im Zusammenhang mit der Architektur, zu monumentalen Werken steigert.
Dieser Übergang ist am unmittelbarsten zu verfolgen bei den von Effmann
veröffentlichten Skulpturen von Werden8, die unmittelbar mit den goldgetriebenen
Reliefs des Egbert-Kodex in Gotha und mit der Madonna aus Goldblech im
Domschatze von Essen zusammenhängen. Ähnlich ist auch die Entstehung der
Skulpturen von Brauweiler zu denken. Sie scheinen nur möglich durch eine
Herübernahme ottonischer Traditionen und ihre Fortbildung in einer eignen
neuen Anschauung.

Von großer Vollendung sind die Tierdarstellungen, von denen nur Widder,
Stier, Skorpion und Fische erhalten sind. Offenbar wirken hier besonders in den
vegetabilischen Zutaten die zeitgenössischen Vorbilder orientalischer Seiden-
gewebe mit, wie sie besonders in Kölner Rehquienschreinen erhalten sind und in
dem Wirkteppich von St. Gereon (Reste in Berlin, Lyon und London) ein hei-
misches Erzeugnis anregten, das auch mit den Brauweiler Skulpturen in der

Aj 6 Kentenich, Gozbertus monachus, Trierische Chronik, 7. Jahrg. Nr. 11/12, 1911.
' Abb. d. Verf., Anfänge des monumentalen Stiles, Taf. II und Taf. VI.
s Vgl. W. Effmann, Die karolingisch-ottonischen Bauten zu Werden, 1899, S. 102.
 
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