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chen. Schließlich war es die Tätigkeit Hugo von Tschudis an der Berliner Na-
tionalgalerie, die - allerdings unter wachsenden Widerständen - seit Mitte der
neunziger Jahre der modernen französischen Kunst Reputation verschaffen
sollte.
Scheffler hingegen zeigte zunächst kaum Bereitschaft, sich mit dem Impres-
sionismus der Franzosen oder den deutschen Naturalisten näher einzulassen.
Innerhalb der dualistischen Kunstauffassung, die der Kritiker sich zurecht ge-
legt hatte, bildeten Impressionismus und Naturalismus den antithetischen Ge-
genpol zur von ihm favorisierten symbolistisch->neuidealistischen< Malerei.
Während hier die Phantasie den profanen Alltag überflügelte, entsprach der
Impressionismus seiner Haltung nach, wie Scheffler meinte, ganz und gar dem
wissenschaftlich dominierten, materialistischen Weltbild des modernen Men-
schen. Diese Konsequenz bewertete Scheffler zwar als >ehrlich<, empfand aber
das Ergebnis, sprich: die künstlerische Leistung, als gefühlsarm, wie eine Pas-
sage aus der frühen Monographie über Ludwig von Hofmann belegt:
»Ihre Betrachtungsweise ist der kalte Enthusiasmus der Erkenntnisfreude.
(...) Diese faustisch ehrliche Kunst schreitet Seite an Seite mit dem Leben,
aber sie hat das Lachen und Weinen verlernt. Ein messerscharfer Verstand
weiß lebendig anzuschauen, aber das stolzeste Besitztum, die Synthese, geht
darüber verloren.« (Ludzvig von Hofmann, A.1902/1, S. 4).
Eine vergleichbare Charakterisierung der Impressionisten als >Verstandes-
künstler< hatte Scheffler bereits in einem Essay über Hofmann abgegeben, der
1899 in Hardens ZUKUNFT erschienen war. Dabei fällt ins Auge, daß Scheffler
Hofmann und andere Vertreter des an dieser Stelle sogenannten »romantischen
Kolorismus« zu Überwindern des Impressionismus erklärte:
»Den großen Impressionisten, zu deren herber Resignation die Natur nur
von weitem sprach, denen die Erde nichts war als die mit niederem Ge-
sträuch bewachsene Kruste einer Feuerkugel, die nur das Licht malten, das
die Gegenstände mit Oberflächenfarben, mit Reflexen und Gegenreflexen be-
lebt, traten die Koloristen entgegen (...). Jene Kunst war groß, aber kalt; und
sie wirkte auf die Dauer monoton.« (Ludzvig von Hofmann, B.1899/16, S. 304).
Wie viele seiner Zeitgenossen sah Scheffler damals also im Impressionismus ei-
ne bereits abgeschlossene, historisch gewordene Stilstufe der Entwicklungsge-
schichte der Malerei. Die Bemerkung belegt darüber hinaus, daß Scheffler da-
mals am Impressionismus in erster Linie naturalistische Aspekte wahmahm:
Die Impressionisten waren seines Erachtens darauf aus, mit gleichsam wissen-
schaftlicher Akribie und fotografischer Präzision ein Abbild der Natur zu
zeichnen. Mit dieser Einschätzung knüpfte Scheffler zum guten Teil an zeitge-

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