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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0060
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Iii

zurück. Von oben her also, wie von unten, war der Kaum auf SehallverStärkung
hin angelegt.

Die zylindrische Wandung des Raumes mußte in hohem Grade schallsammelnd,
schallverstärkend wirken, besonders bei apsidenartiger Geschlossenheit der Röckseite
(vergl. oben S. 33). Dem entgegenzuwirken, um nicht zu starke Töne zu bekommen,
waren nicht nur die Fensterdurchbrechungen geeignet, welche den Schall durch die
Wand in den weiten Hof hinaus verbreiteten, sondern vor allem auch die innere Säulen-
stellung, deren fein kanellierte Schäfte und reichgegliederte Kapitelle unbedingt schall-
zerstreuend, den Reflex zersplitternd wirken mußten. Denselben Dienst tat weiter oben
die Kassettengliederung der Decke.

In den meisten dieser Punkte, in der kreisrunden Anlage des Raumes, der inneren
Säulenstellung, der hölzernen Decke, dem hölzernen Podium hat Polyklet allerdings
nichts Neues gebracht. In alle dem hatten Theodoras von Samos in Sparta und der
perikleische Architekt des athenischen Odeions schon vorgearbeitet. Polyklets Neuerung,
seine persönliche Erfindung scheint aber die künstliche Hohllegung des Bodens, diese
erweiterte Resonanz von unten her gewesen zu sein. Es ist fast, als hätte er sich dabei
die Natur selbst, die komplizierte innere Konstruktion des menschlichen Ohres, zum
Muster genommen. Auch da gibt es hinter dem Gehörgang ein «Labyrinth», eine
«Höhle», einen «Schneckengang» und bogenförmige Kanäle. Das sind Dinge, die ein
genialer Meister hier in seiner Weise und «naturae vestigia persecutus», wie sich Vitruv
einmal (VI, 3, 8) ausdrückt, in Architektur übersetzt zu haben scheint.

Wenn sich die künstliche Hohllegung des Bodens aus akustischen Gründen wahr-
scheinlich machen läßt, so ist dies bis jetzt leider nicht in gleicher Weise der Fall mit
der eigentümlichen Verbindung, welche zwischen den vier einzelnen Hohlringen unter-
einander hergestellt ist. Mit unleugbarer Absichtlichkeit sind die Hohlgänge so
miteinander verbunden, daß man den inneren immer erst ganz durchlaufen mußte, um
in den nächst äußeren zu gelangen. Die Physiker, die ich darum befragt habe, ob diese
eigenartige Anlage zu akustischen Zwecken gemacht sein könnte (Prof. Ebert, München
und Geh.-Rat Prof. v. Kries, Freiburg i. Br.), erklären übereinstimmend, daß daran nicht
zu denken sei. Und doch muß die eigentümliche Vorrichtung irgendwie damit zusammen-
hängen. Sicherlich konnte nicht gleichgültig sein, wie die aus akustischen Gründen hohl
konstruierten und aus eben diesen Gründen unerläßlicherweise miteinander in Verbindung
gesetzten Räume nun zueinander in Beziehung gesetzt wurden. Eines ist jedenfalls klar:
durch die Anordnung, die Polyklet traf, und nur durch diese, wurde erreicht, daß die
Luft vollständig zirkulierte, daß ihre Strömung die ganzen Hohlgänge bestrich bis in
die letzten Winkel hin. Der Zweck dieser Ventilation kann aber nicht einfach der ge-
wesen sein, die ganze Anlage vor Feuchtigkeit, Muffigkeit, Moderigkeit zu bewahren,
wie Dr. Engelhardt (Saalfeld) s. Z. in Basel meinte. Denn es fehlte am Podium, dessen
Seiten und dessen Eindeckung doch geschlossen angenommen werden müssen, jede
Öffnung und Abzugsvorrichtung. In der Anlage des «Labyrinths» ist aber jedenfalls
ein Prinzip gewahrt, das schon Defrasse und Lechat ausfindig gemacht hatten (Bull,
corr. hell. 1890, p. 631). Nur ist überall, wo dort «Wasser» gesagt ist, natürlich
«Luft» dafür einzusetzen. So p. 634: «. . . . il importe que le courant setablisse en
tout point, afin qu'il n'y ait nulle part d'eau stagnante .... l'eau devra faire un
circuit complet . . . . la fonction (des petits murs) est pour ainsi dire, d'obliger l'eau
 
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