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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Brinkmann, Adolf: Schloß Weißensee: ein Gegenstück zur Wartburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0168
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156

Ad. Brinkmann-Burg b. M.

das im Gegensatz zu den übrigen keine geputzten Wände hat, so daß das großartige
Quaderwerk sichtbar ist, das so für die Ewigkeit gebaut erscheint, daß der Turm wohl
heute noch ganz stände, wenn ihn Kurfürst Friedrich August (1746—1763) nicht hätte
abtragen lassen. Er scheute wohl die Kosten der Unterhaltung (s. oben S. 150). Der
einst über 30 m aufragende Turm gab dem Schlosse das burgmäßige Aussehen, das
die hier beigegebene Wiederherstellung vor Augen zu stellen versucht (Abbildung 10).
Die jetzige geschweifte Haube verdirbt diesen Eindruck völlig.

Die übrigen Gebäude sind ohne künstlerischen Wert, doch trägt das Scheunen-
gebäude, das sich westlich an den Turm anschließt, erheblich zur malerischen Wirkung
des Ganzen bei.

Die Frage nach der Zeit der Erbauung dieser so merkwürdigen Burg ist deshalb
schwer zu beantworten, weil so wenig architektonische Einzelheiten erhalten sind. Die

dene Gruppen bilden, innerhalb deren zwei Säulen die Stelle des Pfeilers einnehmen.
Dies ist künstlerisch ein Fortschritt, aus dem man auf ein höheres Alter des Palas in
Weißensee schließen könnte. Nun ist die Erbauung des Landgrafenhauses auf der
Wartburg in das erste Drittel des 13. Jahrhunderts zu setzen. Da die Wartburg erst
1224 landgräfliche Residenz wird, so dürfte bis dahin der Palas fertig gewesen sein.
Ich möchte deshalb den Bau der «Weißenburg» noch unter die Regierung des Land-
grafen Hermanns I. (1190—1217) setzen, wenigstens des Palas, während man den
Bergfried etwas früher annehmen darf.

Hoffentlich finden sich noch architektonische Einzelheiten, die eine genauere Zeit-
bestimmung ermöglichen. Ich bin überzeugt, daß die Säulen zum Teil noch in den
vermauerten Bögen stecken. Auch wird die Reinigung der Kapitelle des großen Portals
die Einzelformen so deutlich hervortreten lassen, daß sich stilistische Schlüsse daraus
gewinnen lassen werden.

Abbildung 10. Palas und Bergfried von Si'iden.
Rekonstruktion 1.

vorhandenen Kapitelle haben
durchweg Blattornamente,
die im Turm mit derben
Kämpfern, am Bogen des
Hauptportals des Oberge-
schosses ohne solche, viel-
leicht, weil sie einen Kämpfer
in der Mitte zwischen sich
haben. Die Arkadenreihe der
Hauptfassade hat große Ähn-
lichkeit mit der westlichen
des Landgrafenhauses ebener
Erde, unterscheidet sich aber
von ihr dadurch, daß die
sieben Bogen keine Gruppe
bilden, sondern jeder vom
andern durch einen vierecki-
gen Pfeiler geschieden ist,
während diese drei von zwei
viereckigen Pfeilern geschie-
 
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